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Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Nailik
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Hand mit einer Waffe und eine
vermeintliche Leiche im Gebüsch. Nachts kehrt er zum Ort des Geschehens zurück
und entdeckt tatsächlich die Leiche, doch bleibt er unfähig etwas zu
unternehmen. Statt die Polizei zu benachrichtigen, macht er sich auf die Suche
nach seinem Agenten, doch bleibt er zuerst bei einem Clubkonzert der Yardbirds
und dann, zusammen mit seinem Kollegen, bei einer drogengeschwängerten Party
hängen, die beiden letztlich wichtiger ist, als die Aufklärung des Mordfalls.
Die Negative sind inzwischen aus seinem Atelier entwendet worden und übrig
bleibt nur ein viel zu sehr vergrößerter Abzug, auf dem kaum noch etwas zu
erkennen ist. Am nächsten Morgen ist auch die Leiche verschwunden. Auf einem
nahegelegenen Tennisplatz vollführt eine Pantomime-Gruppe ein gleichermaßen
groteskes wie poetisches Tennis-Match mit imaginärem Ball und imaginärem
Schläger. Als der unsichtbare Ball vor den Füßen des Fotografen landet, wirft
er ihn zurück aufs Feld und plötzlich ist der Klang eines echten Spiels zu
hören.
    „In
dieser letzten Szene liegt die ganze Macht des Kinos“, flüsterte Eliza, während
der Film von dem verloren auf der Wiese stehenden Fotografen abblendete, bis
nur noch das Grün des Grases zu sehen war und der Abspann einsetzte. Wie es
sich im Programmkino gehörte, blieben sie sitzen, bis der Abspann ganz zu Ende
war und die Hauptlichter angingen.
    Auf dem
Weg zum Auto meinte Valeriu: „Ich denke, in dieser letzten Sequenz wird noch
viel mehr beschworen als die Macht des Kinos. Es geht um die Bedeutung der
Imagination. Der ganze Film handelt doch von der individuellen Wahrnehmung von
Realität.“
    Eliza
war stehengeblieben. Sie war jetzt ganz in ihrem Element.
    „Stimmt“,
pflichtete sie ihm bei: „Wenn man den Film noch einmal durchgeht, handelt fast
jede Szene von der Frage nach Schein und Sein. Thomas konstruiert diesen
Mordfall und wir folgen ihm, weil seine Schlussfolgerungen logisch erscheinen.
Ob er wirklich richtig kombiniert, können wir nicht wissen. Alles bleibt in der
Schwebe, die Grenzen zwischen Wirklichkeit und Illusion verschwimmen und
letztlich ist von dem vertauschten Film über die achtlos weggeworfene
Konzertreliquie und die falsche Telefonnummer der Frau bis hin zum Tennisspiel
nichts real.“
    „Doch,
es ist Thomas' Realität. Es ist seine Wahrnehmung“, wandte Valeriu ein, doch
Eliza schüttelte den Kopf.
    „Vielleicht
nicht ganz. In weiten Strecken ist es nur sein Bild von der Realität. Das Bild
der Realität durch die Linse seiner Kamera. Sogar der Geschlechtsakt ist nur
ein abstraktes Abbild seiner selbst durch die Kamera des Modefotografen.
Insofern liege ich mit dem Thema Kino doch nicht ganz falsch. Der Film geht selbstreflexiv
mit seinem eigenen Medium ins Gericht. Unsere Wahrnehmung ist mangelhaft und
manchmal unzuverlässig, aber auch die Fotografie und der Film, die Medien, die
Realität exakter und reproduzierbar abbilden sollen, sind manipulierbar und
unterliegen ständigem Interpretationszwang.“
    Sie
hatten mittlerweile das Auto erreicht und Eliza strahlte Valeriu atemlos an.
    „Weißt
du, dass du eine wunderbare Frau bist, pisică mea ?“ fragte er unvermittelt, woraufhin sie ihn etwas
verständnislos anschaute.
    „Mit
dieser Leidenschaftlichkeit, mit der du der Kunst begegnest, hast du mich bei
unserer ersten Begegnung verführt und tust es jedes Mal aufs Neue. Du ahnst
nicht, wie viel ich dir verdanke, Liebste.“
    Eliza
wusste nicht genau, was er damit gemeint hatte. Dachte man an seine aufopfernde
Pflege, als sie die Grippe gehabt hatte, an die selbstlose Rettung bei dem
nächtlichen Überfall oder daran, wie er sie an seinem luxuriösen Leben
teilhaben ließ, hatte sie ihm schließlich sehr viel mehr zu verdanken als umgekehrt.
Dennoch schlief Eliza an diesem Abend mit der ruhigen Gewissheit ein, in
Valeriu nicht nur einen großartigen Mann gefunden zu haben, den sie mehr als
alles andere liebte, sondern darüber hinaus einen Seelenverwandten, mit dem sie
alles teilen konnte, was in ihrem Leben wichtig war.
    Lediglich
ihr herrliches Jugendstilbett teilte sie nach wie vor nur mit Felis, die sich
wohlig streckte und ihr Köpfchen an Elizas Wade bettete.
     
    Den
ganzen Sonntag verbrachte Eliza vor ihren Büchern, wobei sie sich heute schon
weniger durch die neue Umgebung ablenken ließ und deutlich strukturierter und
erfolgreicher vorankam als am Vortag. Das schlechte Wetter hatte wohl nicht
unmaßgeblich dazu beigetragen,

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