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Somnambul Eliza (German Edition)

Somnambul Eliza (German Edition)

Titel: Somnambul Eliza (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Nailik
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Ratschlag.
     
    Eliza betrachtete das silberne Kästchen.
Mit seiner äußerst filigranen Ornamentik schien es schon allein eine kostbare
Antiquität zu sein. Dann warf sie einen Blick zu Wilbert hinüber und sie wusste
selbst nicht, warum sie das Gefühl hatte, seine Erlaubnis einholen zu müssen.
Doch der alte Herr nickte ihr aufmunternd zu und er machte den Eindruck als sei
er genau so gespannt, wie sie. Der Verschluss klemmte ein wenig, als sei er
schon sehr lange nicht mehr geöffnet worden, doch dann sprang das
Schmuckkästchen auf und auf roten Samt gebettet lag der beeindruckendste Ring, den Eliza jemals gesehen hatte. Mit zitternden Fingern nahm sie den Ring
aus der Schatulle und betrachtete ihn im Licht. Es handelte sich um einen
großen tropfenförmigen Opal in einer herrlich verschlungenen, aber nicht zu
verspielten goldenen Jugendstilfassung. Es war einer der seltenen schwarzgrundigen Opale und er strahlte und schillerte
prächtig in den unterschiedlichsten bordeaux- und purpurfarbenen
Rotschattierungen, wie ein Tropfen Wein oder Blut. Erst auf den zweiten Blick
erkannte man, dass die schmale goldene Rahmung, die den Stein selbst einfasste,
eine stilisierte Schlange formte, die sich selbst in den Schwanz biss und
wahrscheinlich deutlich älter war als der Jugendstilring selbst.
    „Er ist wunderschön“, brachte Eliza
überwältigt hervor.
    „Ja, das ist er“, bestätigte Wilbert,
der neben sie getreten war. „Es ist das erste Mal, dass ich ihn zu Gesicht
bekomme. Der Baron hat diesen Ring gehütet wie seinen Augapfel.“
    Eliza legte den Ring vorsichtig in die
Schatulle zurück.
    „Wilbert, ich kann dieses Geschenk nicht
annehmen. Ich habe Angst, dass er es irgendwann bedauert, ihn so leichtfertig
verschenkt zu haben.“
    „Nein, Miss Hoffmann. Er hat ihn nicht
leichtfertig verschenkt. Dieser Ring befindet sich seit sehr langer Zeit im
Besitz des Barons und wenn er ihn Ihnen heute zum Geschenk macht, dann
wohlüberlegt und aus einem guten Grund. Bitte nehmen Sie ihn an.“
    Mit diesen Worten griff Wilbert nach
Elizas rechter Hand und nahm den Ring aus dem Kästchen. Dann schob er ihn über
ihren Mittelfinger. Es war ein merkwürdiges, prickelndes Gefühl und Eliza hatte
die seltsame Empfindung, ihr Finger verschmelze mit dem Ring zu einer Einheit.
Er saß wie angegossen, als habe man ihn eigens für sie angefertigt. Binnen
Sekunden hatte er ihre Körpertemperatur angenommen und es stellte sich das
angenehm vertraute Gefühl von Schmuckstücken ein, die man schon seit Jahren
trägt.
     
     
     

 
    Als
Eliza um kurz nach drei in den Zug stieg, fühlte sie sich wie ferngesteuert.
Schon als sie Felis bei Stephan abgegeben hatte und auch während des Brunchs hatte
sie irgendwie neben sich gestanden, sich nur wenig am Gespräch beteiligt und
kaum etwas gegessen. Aber jetzt war es noch merkwürdiger. Sie setzte sich auf
einen freien Platz am Fenster, ohne selbst an dieser Handlung beteiligt zu
sein. Normalerweise las sie im Zug oder hörte wenigstens Musik. Heute tat sie
nichts. Sie dachte nicht einmal. Sie saß da, als hätte sie nur ihren Körper auf
Heimaturlaub geschickt, während ihr Geist den Zug verpasst und in Wien
geblieben war.
    Wenn sie völlig übernächtigt oder total
überarbeitet war, hatte sie manchmal ein ähnliches Gefühl der Loslösung von
sich selbst gehabt, aber das war immer nach wenigen Minuten vergangen. Jetzt
hielt es schon seit Stunden an und es begann, ihr Angst zu machen.
    Sie wusste nicht, ob sich der
untersetzte Herr im Anzug mit dem Laptop auf den Knien schon in Wien neben sie
gesetzt hatte, oder ob er erst später zugestiegen war. Sie schaute aus dem
Fenster und sah, wie sich ihr eigenes Gesicht wie ein gespenstisches Hologramm
in der Scheibe spiegelte und rastlos über die tristen Schneefelder der
unbeseelten Schneelandschaft jagte. Eliza konnte nicht sagen, ob es schon die
Dämmerung war, die den Himmel verfinsterte oder ob sich nur der nächste
Schneeschauer ankündigte. Sie beobachtete in der Fensterscheibe, wie ihre
Finger eine Haarsträhne unaufhörlich zur Kordel zwirbelten, sie dann zu Nase
und Lippen führten, um sie schließlich, nach einem Moment des Verweilens
unvermittelt loszulassen und von vorn zu beginnen. Sie wusste nicht, warum sie
das tat und auch nicht, wie lange sie schon damit beschäftigt war. Aber als es
ihr bewusst wurde, schob sie die Hände zwischen ihre übereinandergeschlagenen
Knie, um sie von derartigen eigenmächtigen Handlungen

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