Somnambul Eliza (German Edition)
eine kurze Pause, dann
seufzte er leicht und fügte hinzu: „Ich bin eine sehr egoistische Kreatur und
es muss mein Narzissmus gewesen sein, der mich glauben ließ, du würdest das
alles so hinnehmen. Ich habe dir schon viel zu viel genommen und ich war im
Begriff, dein Leben voll und ganz zu vereinnahmen, ohne mich dafür erkenntlich
zeigen zu können.“
Sie wollte etwas entgegnen, doch er
sprach bereits weiter: „Du solltest die Zeit nutzen, um Abstand zu gewinnen und
wenn du zu dem Entschluss kommen solltest, dass unser Experiment ein Fehler
war, lass es Stephan oder Wilbert wissen. Wenn du es so willst, wird bei deiner
Rückkehr alles so sein, als wären wir einander nie begegnet. Du bist mir nichts
schuldig. Du musst wissen, dass du mir unendlich viel mehr gegeben hast, als
ich dir. Ich bin dir sehr dankbar dafür. Aber du hast mir gegenüber keinerlei
Verpflichtungen. Wenn du mich nicht wiedersehen willst, liegt das ganz in
deiner Entscheidungsgewalt und ich werde deinen Entschluss akzeptieren und ihm
Folge leisten. Aber du sollst auf der anderen Seite auch wissen, dass dir die
Türen dieses Hauses jederzeit offenstehen werden und dass ich dich erwarten
werde, wenn du dich dazu entschließen solltest, zu mir zurückzukehren.“
Eliza wusste, dass er Wort halten würde.
Er würde ihr niemals seinen Willen aufzwingen und er würde ihr Wohl immer über
das seine stellen, auch wenn er Höllenqualen dabei leiden müsste. Auch wenn er
ihr jede Freiheit ließ und bemüht war, sie in keiner Weise zu bevormunden oder
zu dominieren, so hatte er doch längst auf elementare Weise Besitz von ihr
ergriffen.
Sie vergoss ein paar Tränen an seiner
Brust, dankbar, ihr Gesicht im feinen Gewebe seines Pullovers vergraben zu
können. Er hielt sie ganz fest und sie spürte, dass er keinerlei Groll gegen
sie hegte, dass er jedes seiner Worte ernst gemeint hatte und gerade das war
es, was es ihr so unendlich schwer machte, ihre Ankündigung in die Tat
umzusetzen.
Hatte Eliza in der letzten Nacht schon kaum
Schlaf bekommen, so tat sie in dieser Nacht überhaupt kein Auge zu. Wie konnte
sie sich selbst das antun? Das war reine Selbstbestrafung und im höchsten Maße
masochistisch. Sie wollte nichts lieber, als mit Valeriu zusammen sein und nun
hatte sie höchst selbst diese Entscheidung getroffen. Was hoffte sie
eigentlich, zu Hause zu finden? Ihre Eltern waren noch in Ägypten und somit war
nur ihre Oma daheim. Eliza erhoffte sich ein bisschen Abstand und Klarheit,
aber viel realistischer war, dass sie Valeriu aus der Entfernung noch mehr
verklären würde.
Trotzdem durfte sie nicht länger die
Augen vor der Wahrheit verschließen. Wenn sie auf eine gemeinsame Zukunft mit
ihm hoffte, musste sie sich seinen Geheimnissen stellen, auch wenn er ihr dabei
nicht zur Seite stehen würde. Natürlich wusste sie intuitiv, dass Valeriu kein
Triebtäter war, aber sie ahnte auch, dass es keine verflossene Liebe war, aus
der er so hartnäckig ein Geheimnis machte. Fast schon hoffte sie insgeheim,
dass sich ihre Kunstraubtheorie bestätigen würde, denn in ihrem tiefsten
Inneren schwante Eliza, dass sie es mit etwas ganz anderem zu tun haben könnte,
das ihre Welt ins Wanken bringen würde. Von klein auf hatte sie mit den Dingen,
mit denen sich ihre Oma so gern beschäftigte, nichts zu tun haben wollen. Und
doch hatte sie jetzt das unbestimmte Gefühl, dass ihr nur Sibylle dabei helfen
konnte, endlich klar zu sehen und zu verstehen.
Als sie am nächsten Morgen aufstand,
hatte sie sich lange genug eingeredet, dass Valeriu über seinen Schatten
springen und da sein würde, um sie von ihrer Abreise abzuhalten, so dass sie
entsetzlich enttäuscht war, als Wilbert ihr am Frühstückstisch eine kleine
Silber-Schatulle und einen Brief überreichte.
In wunderschönen, geschwungenen Lettern
stand dort geschrieben:
Liebste
Eliza,
ich
bedaure zutiefst, nicht von dir Abschied nehmen zu können, dich nicht auf den
Bahnsteig begleiten zu können. So wird es immer sein und es wäre falsch, dir
Hoffnung auf andere Zeiten zu machen.
Du
wirst die richtigen Entscheidungen treffen.
Ich
küsse und umarme dich.
In
Liebe, Valeriu.
PS.:
Der Ring ist ein Geschenk an dich. Er ist sehr alt und kostbar und ihm sind
bestimmte Fähigkeiten eigen. Er soll dir Schutz gewähren, wenn du in Gefahr
gerätst. Bitte trage ihn Tag und Nacht bei dir und wenn du ihn nicht am Finger
tragen willst, dann trage ihn an einer Kette um den Hals. Bitte befolge
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