Somnambul Eliza (German Edition)
Fragen sondern wartete einfach nur ab. Eine Weile saßen sie schweigend
da und Eliza beobachtete, wie routiniert die knochigen, nikotinverfärbten
Finger die jahrelang eingeübten Handgriffe ausführten. Dann irgendwann begann
Eliza ganz von selbst zu reden. So war es schon immer gewesen. Sie hatten
zwischendurch mehrere Telefonate geführt, über die wichtigsten Eckdaten war Oma
Sibylle also informiert. Dennoch ließ Eliza die letzten Wochen noch einmal
Revue passieren und Sibylle hörte einfach nur zu.
„Ich liebe ihn, Omi. Ich habe mich noch
nie mit jemandem so wohl gefühlt, wie mit Valeriu. Er ist der Mann, mit dem ich
mein Leben verbringen will. Aber er hüllt sich nach wie vor in Schweigen. Ich
glaube, er vertraut mir einfach nicht. Und nun beginne ich, ihm ebenfalls zu
misstrauen. Was soll ich denn nur tun, Omi?“ endete Eliza mit tränenerstickter
Stimme, aus der namenlose Seelenqualen sprachen.
Der Rauch entwich in großen weißen
Schwaden aus Sibylles Nasenlöchern wie bei einem kleinen Drachen.
„Ach Kind, wenn ich dir doch nur einen
Rat geben könnte. Ich sehe, wie sehr du ihn liebst und es tut mir weh, mit
anzusehen, wie du leidest. Aber ich werde aus deinem Valeriu auch nicht schlau,
mein Kätzchen. Die Karten, das Pendel, die Steine, alle spielen verrückt, wenn
es um ihn geht. Sie geben nur widersprüchliche Auskünfte, wie wenn man einen
Kompass mit einem Magneten stört. Sie loben ihn über den grünen Klee, sagen,
ihr zwei seid für einander bestimmt und dann plötzlich – nun ja, jagen sie mir
einen ziemlichen Schrecken ein.“
„Was meinst du damit, Omi?“ wollte Eliza
wissen.
Sibylle nahm sich viel Zeit für den
letzten Zug an ihrer Zigarette und drückte den Stummel mit einer akribischen
Langsamkeit aus, die Eliza nervös machte.
„Die Karten und die Steine haben ihn
mehrmals mit dem Tod, mit Verderben und Gefahr in Verbindung gebracht. Aber
diese Dinge blieben immer diffus. Ich habe nie eine direkte Bedrohung für dich
gesehen, mein Kätzchen. Trotzdem. Wenn ich ehrlich sein soll, dieser Mann macht
mir ein bisschen Angst.“
Eliza atmete tief durch. Die Wahrsagerei
war für sie ein Buch mit sieben Siegeln und sie war diesem Hokuspokus immer
etwas misstrauisch begegnet, doch der Erfolg hatte Oma Sibylle immer wieder
recht gegeben und Eliza gab viel auf ihr Urteil, weniger wegen ihrer Methoden
als wegen ihrer untrügerischen Menschenkenntnis und ihres tiefen
Vertrauensverhältnisses zueinander.
„Können wir die Karten gemeinsam legen?
Ich möchte gern mit eigenen Augen sehen, was sie über mich und Valeriu zu sagen
haben“, bat sie schließlich mit tonloser Stimme.
Sibylle zuckte mit den Schultern.
„Natürlich, Schatz. Wenn du das
möchtest, spricht natürlich nichts dagegen. Aber heute war ein langer Tag für dich.
Du solltest ausgeruht sein, wenn wir die Karten um Rat fragen. Lass es uns
morgen versuchen.“
Eliza nickte unbeteiligt. Eigentlich war
sie froh über den Aufschub. Im Grunde war sie gar nicht so erpicht darauf, zu
erfahren, welches schlechte Omen die Karten für sie bereithielten, auch wenn
sie nicht müde wurde, sich selbst einzureden, dass sie der Wahrsagerei nur
wenig Glauben schenkte.
„Was ist das eigentlich für ein Ring an
deinem Finger? Hat er ihn dir geschenkt?“ wollte Sibylle plötzlich wissen.
Die Frage war durch Elizas Kopf
gerauscht wie die Ansagen des Zugbegleiters und sie hatte Mühe, sie aus den
Stücken, die sie wahrgenommen hatte, zu rekonstruieren.
Mit einer gewissen Zeitverzögerung, als
habe sie erst die Simultanübersetzung aus einer fremden Sprache abwarten
müssen, antwortete sie: „Ja, ich habe ihn heute Morgen bekommen.“
Eliza blickte auf den Ring an ihrem
Finger. „Komisch. Er hat die Farbe geändert“, stellte sie überrascht fest.
„Heute Morgen in Wien hat er noch rot geschillert. Jetzt leuchtet er blau, türkis und grün. Vielleicht liegt es am Licht?“ Sie drehte
die Hand in alle Richtungen. „Nein, er hat sich wirklich verfärbt. Wie
eigenartig.“
„Darf ich ihn mal sehen?“
Eliza streckte ihrer Oma die Hand hin
und diese zog an dem beringten Finger, als könnte man
ihn abschrauben.
„Meine Güte, ein edles, altes
Schätzchen. Sehr exquisite Goldschmiedearbeit und ganz schön teures Klunkersteinchen . Echter Schwarzopal. Gib mal her, den muss
ich mir unbedingt genauer ansehen.“
Eliza druckste ein wenig herum.
„Ich soll ihn unter keinen Umständen
abziehen“, erklärte sie schließlich.
Sibylle
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