Somnambul Eliza (German Edition)
durch seine schlichte Eleganz aus und Elizas fachkundiges Auge
erkannte in den Objekten sofort erneut die biedermeierlichen Originale. Auf dem
Tisch stand eine Meißner Porzellan- Etagere mit zarten
Durchbrucharbeiten im berühmten Zwiebelmusterdekor, auf der ein filigran
gearbeitetes Figürchen thronte. Daneben waren zwei ebensolche Salzschalen
angeordnet, die jeweils von einer liegenden, höfisch gekleideten, Figur – einem
Mann und einer Frau – gehalten wurden. Außerdem gab es eine spektakuläre
Biedermeier-Vitrine in U-Form, die ebenfalls randvoll mit Meißner Porzellan
gefüllt war.
„Du siehst mich überwältigt“, gab Eliza
unumwunden zu. „Deine Sammlung ist absolut beneidenswert.“
„Dass man bei einer Frau mit Geschirr
punkten kann, ist heutzutage nicht selbstverständlich“, entgegnete Valeriu
jovial.
„Ich denke, dass ein Mann schränkeweise Meißner Porzellan zu bieten hat, ist
ebenfalls recht ungewöhnlich“, gab Eliza zurück.
„Dann haben sich wohl zwei Exoten
gesucht und gefunden“, meinte Valeriu und sein Lächeln ließ Eliza dahinschmelzen .
Dann traten sie in die gemütliche Küche,
die noch ganz so wie zur Zeit der Erbauung dieser Villa um die Jahrhundertwende
eingerichtet war und in deren Charme sich Eliza auf der Stelle verliebte. Außer
zwei gut integrierten Kühlschränken gab es keinerlei moderne Küchenhelfer und
sogar der Herd war noch ein antikes Original, was die Küche regelrecht museal
erscheinen ließ und Eliza bezweifelte, dass hier jemals wirklich gekocht wurde.
Valeriu führte Eliza weiter in sein
Arbeitszimmer. Auch dieser gemütlich anmutende, holzvertäfelte Raum war
komplett im geschmackvollen Stil des Biedermeier möbliert. Lediglich der
hochmoderne, flache Markenlaptop auf dem eleganten Nussbaum-Schreibtisch störte
das Gesamtbild. An der Wand standen eine Chaiselongue, die mit rotem Samt
bezogen war sowie ein spektakulärer Wiener Empire-Sekretär mit schwarzen
Säulen. Über der Reklamiere war ein seltsames, doch überaus beeindruckendes
Gemälde angebracht, das in seiner fast fotografischen Detailverliebtheit an
Salvador Dalí denken ließ, in seinem Sujet hingegen eher an den Fantastischen
Realismus eines Ernst Fuchs. Das Bild zeigte zwei Figuren vor einer
archaischen, toten Wüstenlandschaft. Eine schöne Frau mit entblößten Brüsten
und wallenden Haaren kniete hinter einem Jüngling, dessen Kopf sie zärtlich in
ihren Händen hielt. Erst auf den zweiten Blick erkannte man, dass die Frau den
Hinterleib eines Löwen hatte und demnach eine Sphinx sein musste. Der völlig
nackte Jüngling mit dem vollkommenen Antlitz eines jungen Schlafenden und dem Körperbau
eines antiken Helden lag friedlich schlummernd und mit vertrauensvoll
dargebotenem Geschlecht, auf ein weißes Tuch gebettet, in den Armen der Sphinx.
„Das ist ein sehr ausdruckstarkes
Bild. Leonor Fini, wenn ich mich nicht täusche“, sagte Eliza.
Valeriu nickte: „Die meisten Gemälde
hier im Haus sind von ihr. Gefallen sie dir?“
Eliza war überrascht: „Sind die
Aquarelle in der Eingangshalle auch ihre Werke?“
„Ja, so ist es. Es handelt sich um
Arbeiten aus ihrem Spätwerk. Sie hat in ihrem langen Leben viele künstlerische
Strömungen kennengelernt und in ihr Werk einfließen lassen.“
„Ihre Bilder sind wirklich
beeindruckend. Schön und geheimnisvoll und in der Tat sehr unterschiedlich.“
„Sie ist hierzulande leider nicht
besonders bekannt, aber in den Künstlerkreisen um die Surrealisten hat man sie
gefeiert. Max Ernst, Jean Genet, Paul Eluard , Jean
Cocteau, sie alle haben sie verehrt.“
Eliza nickte zustimmend.
„Kannst du mir zu diesem Bild etwas
erzählen?“ bat sie, denn sie konnte den Blick nicht von dem Jüngling und der
schönen Sphinx wenden.
„Du willst wissen, ob es eine tiefere
Bedeutung hat, dass es hier hängt? Nun, ich finde die Figur dieser Sphinx
äußerst spannend. Ist sie Beschützerin oder Bedrohung? Wacht sie über seinen
Schlaf oder bewacht sie ihr Opfer? Und dann diese friedfertige Unschuld des
Knaben. Erwartet er ihren tödlichen Biss oder den Liebesakt oder beides? Diese
Ambivalenz ist es, die für mich den Reiz des Bildes ausmacht.“
Eliza nickte erneut. „Ich finde auch die
Rollenverteilung sehr interessant. Die Frau als Sphinx und erotisierte Femme Fatal darzustellen, ist nichts Neues und bereits ein
beliebtes Motiv im Symbolismus. Aber der passive Knabe mit dem entblößten
Geschlecht. Das ist ein echtes Novum. Die Rolle des
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