Somnambul Eliza (German Edition)
fügte hinzu: „Die Türen zu dieser Bibliothek werden dir
jederzeit offenstehen. Erfülle sie mit Leben und halte dich hier auf so oft und so lange du willst. Aber jetzt möchte ich dir noch den
Rest des Hauses zeigen.“
In einer einzigen flüssigen Bewegung war
er aufgestanden und wies ihr dann den Weg zurück in die Vorhalle, um ihr die
Räumlichkeiten im ersten Stock zeigen zu können.
Zuerst betraten sie den Salon, denn das Wort
Wohnzimmer wäre auch diesem Raum nicht annähernd gerecht geworden. Elizas Blick
fiel auf den polierten, schwarzen Steinway-Flügel und die daneben stehende,
prunkvoll verzierte Konzertharfe.
„Spielst du selbst?“ fragte Eliza.
Valeriu nickte.
„Aber nur Klavier. Die Harfe ist ein
Familienerbstück. Ich liebe ihren Klang, aber zurzeit steht sie hier leider nur
als Staubfänger.“
Eliza trat an die Harfe und ließ ihre
Finger sacht über die Saiten streichen.
„Ich habe es leider nur zur Blockflöte
und ein paar obligatorischen Klavierstunden gebracht“, sagte sie bedauernd.
Valeriu setzte sich an den Flügel,
allerdings so nonchalant, wie sich wohl auch ein Rockstar auf der Klavierbank
niedergelassen hätte. Seine schönen, blassen Hände, die fast den gleichen Farbton
hatten wie die elfenbeinernen Tasten, flogen über selbige und erzeugten Klänge
von ungeahnter Schönheit. Valeriu spielte meisterlich und Eliza schloss die
Augen und lauschte andächtig dem fantastisch romantischen Klangteppich, der
sich vor ihr entfaltete und über sie hin wusch, ehe er in fast sphärisch,
mystischen, kaum hörbaren Tönen abebbte und schließlich versiegte.
„Das war wunderschön. Chopin?“ riet sie,
ohne recht zu wissen, woher diese Eingebung kam.
Valeriu lächelte sein unverschämt
attraktives Lächeln und nickte bestätigend.
„Das Fantaisie-Impromptu“, sagte er und
erhob sich mit der geschmeidigen, kraftvollen Eleganz, die Elizas Herz jedes
Mal ein wenig schneller schlagen ließ.
Der Salon wies den gleichen, mit großen
Fenstern versehenen Erker auf, wie das Kaminzimmer ein Stockwerk tiefer. Es war
ein heller, luftiger und äußerst großzügiger Raum mit cleanen weißen Wänden und
sparsamer Stuckatur, der in seiner Weite und Modernität den größtmöglichen
Gegensatz zum Kaminzimmer im Erdgeschoss bildete. Bei Tag musste das hier eine
Oase des Lichts sein. Der ganze Raum war im Stil des Art Déco und des Bauhauses
gehalten. Es gab zwei Sitzgruppen. Die eine wurde aus zwei Sesseln und einem
Sofa in äußerst apartem Art-Déco-Design gebildet. Sofa wie Sessel waren mit
elfenbeinfarbenem Leder bezogen und thronten wie Skulpturen auf einem schwarzen
hölzernen Sockel. Die Lehnen waren mit Nussbaumholz verblendet und die nach
oben geöffnete Form erinnerte Eliza entfernt an eine Lotusblüte, wobei man bei
den Sesseln eher Knospen und bei der ausladenden Couch eine weit geöffnete
Blüte assoziierte. Diese ungewöhnliche Sitzgruppe war um einen ebenso
außergewöhnlichen, organisch geformten Tisch angeordnet.
Die andere Sitzgruppe war zum Kamin
ausgerichtet und hätte genauso gut in einem Design-Museum stehen können. Sie
bestand komplett aus Entwürfen von Le Corbusier mit den typischen Chrom-Gestellen und bezogen mit weichstem Leder. Die
überbreite, dreisitzige Couch und die beiden
LC3-Sessel gaben diesem Teil des Raumes einen trendigen Launch-Charakter. Das
Verbindungsglied zwischen beiden Sitzgruppen bildete eine ausgefallene Liege,
ebenfalls ein Designklassiker von Le Corbusier , die die organische Linie der Art-Déco-Gruppe
aufnahm. Es war erstaunlich, wie sich beide Stile zu einer gekonnten, kühnen
Einheit verbanden. Außerdem gab es ein wunderbar klassisches Art-Déco-Buffet
mit herrlichen Intarsien aus Nussbaumholz und mit schwarzen Lack-Verblendungen.
Daneben stand eine der berühmten Mazda-Stehleuchten mit schwarzen Lack-Schaft,
verchromten Elementen und einem opalisierenden schalenförmigen Glasschirm. Über
einer markanten schwarzglänzende Kredenz aus Makassar-Holz, die Eliza an die
Entwürfe von Koloman Moser erinnerte, hing das Art-Déco-Portrait einer blassen,
schwarz gekleideten Frau mit der typischen in akkurate Wasserwellen gelegten
Haartracht der 1920er Jahre. Ihre großen schweren Augenlider und ihre
gleichermaßen sinnliche und herbe Erscheinung erinnerte an die Frauenportraits
Tamara de Lempickas . Die Dame befand sich offenbar in
einem Salon. Der zurückgeschlagene violette Vorhang gab den Blick in einen
herrschaftlichen Park frei. Gerade griff
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