Somnambul Eliza (German Edition)
paar
Studierende zu ihr und hatten verschiedene Detailfragen zu den
Leistungsnachweisen und den von ihnen ausgewählten Referatsthemen. Hatte sich
der männliche Gasthörer als offenbar der ersten Kategorie zugehörig erwiesen
und sich während der gesamten Sitzung völlig unauffällig verhalten, hatte sich
die Frau bereits mit zwei Zwischenfragen hervorgetan und stand auch nun ganz
vorn in der Reihe. Die hagere Person mit der maskulinen Kurzhaarfrisur trug
abgetragene rote Converse-Chucks zur ebenso
verwaschenen Röhrenjeans und einen offenbar
selbstgestrickten Oversize -Pullover, dessen genauer
Farbton irgendwo zwischen Ocker, Orange und Karminrot sich ebenso schlecht
definieren ließ, wie ihr Alter. Über dem Rollkragen baumelte an einem langen
Lederband ein wuchtiges Amulett mit dem Venus-Symbol. Sie stellte sich
lediglich mit ihrem alternativ-androgynen Vornamen Ellen vor und lobte
dann in einem verklausulierten Wortschwall Elizas Entscheidung, dem oft auf
schändliche Weise vernachlässigten Thema Frauen und Surrealismus eine
Seminarsitzung zu widmen, ehe sie etwas herumdruckste und dann erklärte, dass
sie hierzu sehr gerne selbst ein Referat übernommen hätte, aber leider nicht
gern vor Gruppen vortrage. Eliza wunderte sich ein wenig über diese plötzliche
Schüchternheit, die bei ihren lauten, selbstbewussten Zwischenfragen nicht
besonders deutlich geworden war, aber sie hatte auch nicht vor, der Dame Mut
zuzusprechen und sie zu einer Referatsübernahme zu drängen.
„Vielleicht könnte ich ja die
Referentinnen aus zweiter Reihe unterstützen. Gerade im feministischen Kontext
kenne ich mich gut aus und sicherlich werden auch die alchemistischen und
spirituellen Strömungen zu kurz kommen. Dann könnte ich einhaken und ein paar
Ergänzungen machen.“
„Ich gehe erst einmal davon aus, dass
die Referentinnen ihren Vortrag gut und gewissenhaft vorbereiten werden. Fragen
und Ergänzungen stehen Ihnen natürlich bei jedem Referat offen, von derartigen
Co-Referaten allerdings bitte ich abzusehen, da das die Autorität der jungen
Vortragenden untergraben würde“, beschied Eliza sie und wandte sich dann
demonstrativ den nächsten zu.
Sie ließ sich noch kurz im Büro von
Professor Droemer blicken und gab Bescheid, dass ihre
erste Seminarsitzung gut verlaufen war. Professor Droemer war ein gemütlicher älterer Herr, dessen Fachgebiet die ältere Kunstgeschichte
und die Italienische Renaissance waren. Doch er war
ein fortschrittlicher Denker, der es gewohnt war, über den Tellerrand zu
blicken und der auch die aktuelle Kunstszene durchaus wertschätzte und mit
Interesse verfolgte, was sich künstlerisch im neuen Jahrtausend tat. Eliza
mochte ihn und fühlte sich in seiner Obhut gut aufgehoben.
Als Eliza schwer bepackt, aber zufrieden
mit sich und ihrer Arbeit, das Gebäude verließ, hörte sie, wie sich neben ihr
jemand räusperte und ihr Herz machte einen Luftsprung, als sie Valeriu
erblickte, der lässig an die Wand neben der Eingangstür gelehnt, auf sie
gewartet hatte. Sofort war er neben ihr und nahm ihr die schweren Taschen ab.
Er lächelte sie verschmitzt an und fragte mit seiner angenehmen Stimme: „Wie
war dein Seminar?“
Sie stotterte: „Es ist wirklich gut
gelaufen. Aber woher wusstest du?“
Er tippte sich vielsagend an die Stirn
und sagte: „Ich speichere hier drin alles, was du mir erzählst. Was wollen wir
zur Feier des Tages unternehmen, meine Schöne?“
Eliza lächelte. Dann sagte sie: „Ich
möchte zur Abwechslung mal etwas über dich erfahren. Ich würde zum Beispiel
gerne wissen, wie du wohnst, wie du deine Tage verbringst, ich möchte etwas
über deine Vergangenheit erfahren, über deine Familie, über deine Heimat. Ich
möchte dich verstehen lernen.“
Valeriu sah sie amüsiert an: „Das sind
ganz schön viele Fragen auf einmal, findest du nicht? Ich finde, wir sollten versuchen,
die Liste von vorn nach hinten abzuarbeiten. Also werde ich dir jetzt zeigen,
wo ich wohne. Einverstanden?“
Eliza war überrascht, dass er sich so
einfach darauf eingelassen hatte, denn bisher hatte Valeriu es immer vermieden,
ihr etwas aus seinem Leben zu erzählen und wenn er sie nun zu sich nach Hause
einlud, würde er ihr eine Menge über sich und sein Leben offenbaren müssen.
Natürlich wartete die Porsche-Limousine an der Straßenecke, doch diesmal war
kein Wilbert in Sicht. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, erklärte Valeriu:
„Heute ist Wilberts freier Tag. Ich werde also
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