Somnambul Eliza (German Edition)
selbst
chauffieren. Ich hoffe, du vertraust meinen Fahrkünsten?“
Während sie auf dem Beifahrersitz Platz
nahm, entgegnete Eliza: „Wenn du nicht versuchst, die Leistung dieses Gefährts
in der Wiener City auszureizen, bin ich einverstanden.“
Valerius Gesicht zierte wieder dieses
jungenhafte Grinsen, dann sagte er: „Keine Sorge, ich werde gut auf dich
achtgeben.“
Das war nicht ganz die Antwort, die sich
Eliza gewünscht hatte, doch es musste ihr wohl genügen. Dann meinte sie:
„Wilbert hat sich seinen freien Tag aber auch redlich verdient. Dank unserer
Verabredungen hatte er in letzter Zeit ja eine Reihe schlimmer Nachtdienste. Es
ist schon unglaublich, dass er das in seinem Alter noch mitmacht.“
Während Valeriu den Wagen anließ,
erwiderte er: „Wilbert ist ein Nachtmensch. Das ist einer der Gründe, warum er
für mich arbeitet.“
Dann setzte sich der Wagen in
Bewegung und Valeriu fuhr genau so, wie Eliza es befürchtet hatte. Sie schossen
regelrecht durch die Straßen Wiens und Eliza verschmolz förmlich mit dem
futuristisch-ergonomischen Sportsitz, der wohl genau für diese Fahrweise und
für Beifahrer wie sie entworfen worden war. Sie beobachtete, wie seine schönen
langen Finger, locker, ein wenig nachlässig am Lenkrad lagen und wie sich bei
jedem Schaltvorgang sein schlankes Handgelenk bewegte und dabei die eleganten
Muskeln seines Unterarm leicht spielten. Sie fuhren etwa 10 Minuten in
nördlicher Richtung mitten durch Wien, bis sie das noble Villenviertel, das auf
der Grenze zwischen den Stadtteilen Währing und Döbling lag, erreichten. Valeriu lenkte den Wagen vorbei an
Villen, Gärten und Parks, bis sie schließlich vor einem großen Tor hielten.
Eine hohe Mauer schirmte das dahinter liegende Anwesen von den Blicken
neugieriger Passanten ab. Valeriu betätigte eine Art Funkfernbedienung, die an
seinem Autoschlüssel befestigt war und wie durch Geisterhand öffnete sich das
riesige Tor und gab den Blick frei auf eine verwunschene Parkanlage. Das Haus
selbst lag halb verborgen hinter hohen, alten Bäumen.
Als sie die gepflasterte Auffahrt zum
Haus entlangfuhren, verschlug es Eliza fast die Sprache.
Es handelte sich weniger um eine Villa,
als vielmehr um ein eindrucksvolles, geradezu schlossähnliches Anwesen aus der
zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit eindeutigen Jugendstileinflüssen. Über
dem rustizierten , natursteinernen Sockelgeschoss
erhoben sich drei weitere Etagen mit weißgetünchten Sprossenfenstern und einer
in einem warmen Gelbton gestrichenen Fassade. Eine
imposante Freitreppe führte zum Eingangsportal hinauf.
„Lebst du hier etwa allein?“
brachte Eliza staunend hervor.
Valeriu nickte, während er den Wagen auf
dem Vorplatz parkte: „Nun ja, Wilbert und Cosmin leisten mir Gesellschaft.“
Noch ehe Eliza fragen konnte, wer Cosmin war, war Valeriu bereits ausgestiegen und schon an
der Beifahrertür, um ihr zu öffnen und ihr aus dem Wagen zu helfen.
„Das ist ein beeindruckendes Haus, es
liegt hier so verwunschen wie ein Märchenschloss“, schwärmte sie, während sie
die Villa ehrfürchtig betrachtete.
„Dort drüben sind die Garagen und das,
was durch die Bäume da hinten scheint, ist das Gartenhaus, in dem Wilbert
wohnt“, erklärte Valeriu und wies mit dem Arm einmal in die eine, einmal in die
andere Richtung.
Daran, dass sie von dem besagten
Gartenhaus lediglich ein wenig gelbe Farbe ausmachen konnte, wurde Eliza die
tatsächliche Größe des Anwesens ansatzweise bewusst. Dann stiegen sie die
Treppe zum Haupthaus hinauf. Links und rechts der übergroßen Tür waren zwei
Buchsbaumkugeln in antikisierende Amphoren gepflanzt. Valeriu schloss auf und
Eliza erwartete ein Heer von Dienstboten, wie sie es aus historischen Filmen
kannte, die in solchen Häusern spielten. Doch da war niemand.
„Willkommen in meinem bescheidenem
Heim“, sagte Valeriu und deutete eine höfische Verbeugung an, als er sie bat,
einzutreten. Sie betraten eine regelrechte Empfangshalle von der aus eine
breite, repräsentative Treppe, in die oberen Stockwerke führte. An der hohen,
stuckverzierten Decke hing ein imposanter kristallener Kronleuchter, der
Fußboden war mit glänzendem Parkett belegt, das in fantasievollen Mustern
gelegt war, wie Eliza es nur aus Schlössern kannte. Bei jedem Schritt knarzte
das alte Holz ein bisschen und Elizas Absätze erzeugten kein Klackern oder
Hallen, sondern einen, mit Bohnerwachs gepflegtem, alten Parkett eigenen, weich
dumpfen Klang.
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