Somnambul Eliza (German Edition)
für einen Laien nur schwerlich nachzuvollziehen, doch
schließlich entdeckte Eliza die kleine Eintragung, derentwegen die Suchmaschine
sie auf diese Seite geführt hatte.
Im Jahr 1743 war die Geburt eines Knaben
mit Namen Valeriu Bazon-Arany verzeichnet, doch der Stammbaum dieses
stattlichen, hochadligen Geschlechts brach merkwürdigerweise nach der Geburt
eines weiteren, weiblichen Kindes ab. Eliza wunderte sich über diesen seltsamen
Umstand, aber vielleicht hatte man den vakanten Namen Valerius Familie später
wegen irgendwelcher Verdienste zugesprochen, oder man hatte den Titel
irgendwann käuflich erworben, oder aber die Buchführung war schlicht schlampig und
unvollständig.
Eliza spürte, wie sich allmählich wieder
die Schläfrigkeit ihrer Glieder bemächtigte und sie klappte das Notebook zu, um
es sich neben Felis auf der Couch bequem zu machen. Später machte sie sich eine
etwa kuchenstückgroße Portion der Gemüsequiche in der Mikrowelle warm und
verspeiste sie mit großem Appetit, wobei sie brüderlich einige Häppchen Hähnchenfleisch mit Felis teilte, die immer zum kleinen
Raubtier mutierte, wenn sie etwas von Elizas Teller abbekam. Dann schaltete
Eliza den Fernseher ein und zappte halbherzig und desinteressiert durch das
Nachmittagsprogramm. Wie üblich, überkam sie spätestens am dritten Tag des
Krankseins eine Welle tödlicher Langeweile und sie streichelte die schnurrende,
auf ihrem Schoß zusammengerollte Katze, während sie sich fragte, wer um alles
in der Welt sich freiwillig die grenzdebilen Showprogramme ansah, die in leicht
variierter Form auf allen Kanälen über den Bildschirm flimmerten. Sie hielt es
nicht aus, bei einem der Sender länger als zwei oder drei Minuten zu verweilen
und schaltete ungeduldig und zunehmend missgelaunt von einer Talkshow zur
anderen, von einer Gerichtsshow zur nächsten, von einer Dokusoap zu einer
weiteren. Doch statt das Gerät einfach auszuschalten, wirkte der Fernseher wie
eine Art Droge und obwohl Eliza spürte, dass ihre Kopfschmerzen allmählich
zurückkehrten und das sinnfreie Gerede der Moderatoren und Pseudo-Normalbürger
sie regelrecht aggressiv machte, saß sie vor dem Apparat wie ein hypnotisiertes
Kaninchen. Es kam daher fast einer Erlösung gleich, als es schließlich an der
Tür klingelte und sie aus ihrem tranceartigen, doch wenig erholsamen Zustand
gerissen wurde.
Als sie öffnete, schaute sie in Stephans
treue Hundeaugen.
„Schön zu sehen, dass du auf den Beinen
bist. Wie geht es dir, Liebes? Darf ich reinkommen?“
Natürlich sollte er reinkommen und Eliza
trat beiseite, um ihn einzulassen. Doch Stephans Begrüßung war viel weniger
überschwänglich als gewöhnlich und Eliza sah ihm sofort an, dass etwas nicht
stimmte.
„Was ist los mit dir, Stephan? Irgendwas
hast du doch auf dem Herzen.“
Stephan machte ein Gesicht wie drei Tage
Regenwetter, während er zielstrebig auf den Sessel im Wohnzimmer zuging, der
Elizas Couchlager gegenüberstand, denn er hatte an Wolldecke und anderen
Utensilien sofort gesehen, dass sie zurzeit hier residierte. Stephan ließ sich
stöhnend in den Sessel fallen und Eliza hob Felis hoch, um sich wieder mit ihr
das Sofa zu teilen, das die Katze prompt komplett in Beschlag genommen hatte.
„Nun erzähl schon, was passiert ist. Du
machst mich ja ganz nervös“, drängte sie ihn.
„Was passiert ist?“ fragte er
schließlich. „Das weißt du doch ganz genau. Ich habe mich gestern aufgeführt
wie ein Vollidiot .“
Schuldbewusst schaute er sie durch die
großen Gläser seiner Designerbrille an.
„Wochenlang hatte ich mich darauf
gefreut, deinen geheimnisvollen Baron kennenzulernen und dann – “ Stephan
schluckte schwer, „ – dann war ich so hingerissen von ihm, von seiner Stimme,
seinem Habitus, seiner Erscheinung, dass ich mich benommen habe wie ein
Trottel.“
Eliza zog eine Augenbraue hoch, wie sie
es in letzter Zeit so oft bei Valeriu gesehen hatte, doch ehe sie etwas zu
dieser Beichte sagen konnte, sprudelten die Worte nur so aus Stephan heraus.
„Bestimmt habe ich ihn entsetzlich genervt
und er hat zweifellos keine Lust auch nur noch einmal mit mir zusammenzutreffen
und dich habe ich auch blamiert. Mein Auftritt muss dir entsetzlich peinlich
gewesen sein.“
Eliza schüttelte nur mit dem Kopf
und hoffte, dass Stephans Redeschwall bald ein Ende finden würde. Dann sagte
sie ruhig und sachlich: „Du hast weder dich noch mich blamiert und Valeriu kann
dich gut leiden. Er hat
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