Somnambul Eliza (German Edition)
gezwungen, geschäftliche
Termine wahrzunehmen.“
„Ich verstehe“, sagte Eliza und stellte
die Blumen auf den Wohnzimmertisch.
„Aber ich dachte, Sie wären als sein
Chauffeur bei solchen Geschäftsterminen ebenfalls unabkömmlich?“
„Oh, manche Termine nimmt der Baron auch
von zu Hause aus wahr“, entgegnete Wilbert ein wenig ausweichend.
Dann fiel Elizas Blick auf Wilberts anderen Arm, an dem er einen großen Weidenkorb,
mit mehreren Töpfen und Schüsseln darin, trug. Eliza wollte ihm den Korb
abnehmen und sagte: „Es tut mir leid, dass Sie meinetwegen Rotkäppchen spielen
müssen, Wilbert.“
Doch er erwiderte, dass es ihm ein
besonderes Vergnügen und eine Ehre sei, ihr zur Hand zu gehen und dass sie sich
keinesfalls mit dem schweren Korb abmühen dürfe. Überhaupt gehöre sie ins Bett,
auch wenn sie augenblicklich das Gefühl habe, dass es ihr bereits besser ginge.
„So ein Eindruck kann täuschen und dann
übernimmt man sich leicht“, warnte er sie.
„Machen Sie es sich wenigstens auf der
Couch bequem“, bat er, als sie keinerlei Anstalten machte, sich in ihr
Schlafzimmer zurückzuziehen. Wiederstrebend nahm Eliza auf dem Sofa Platz,
während sie durch die offene Küchentür zuschaute, wie Wilbert die Gegenstände
aus seinem Korb in ihren Kühlschrank einsortierte. Als er fertig war und ins
Wohnzimmer zurückkehrte, trug er in der einen Hand ein Teeglas und in der
anderen eine Thermoskanne , die sich offenbar
ebenfalls in seinem Wunderkorb befunden hatte.
„Ich habe Ihnen einen Spezialtee gegen
die Grippe gekocht“, erklärte er und schenkte ihr ein Glas voll ein. Eliza
schnupperte interessiert an der dampfenden, rötlich schimmernden Flüssigkeit:
„Das duftet wunderbar nach Holunder, habe ich recht?“
„Sie haben trotz der Grippe eine gute
Nase“, lobte Wilbert. „Neben Holunderbeersaft sind
noch Schwarzer Tee, Zitronensaft sowie etwas Zimt, Nelken und Honig enthalten.
Trinken Sie ihn heiß, dann wirkt er nochmal so gut.“
Er lächelte ihr aufmunternd zu. Eliza
nippte an dem leckeren Drink: „Was veranlasst den Baron und Sie nur dazu, mich
so zu umsorgen?“
Wilbert legte die Stirn auf eine
unverwechselbare Art in Falten, die wohl nur echten englischen Butlern zu Eigen
ist: „Nun, ich schätze, der Baron hat sich in Sie verliebt, Miss Hoffmann und
ich denke – falls mir ein solches Urteil zusteht – dass er eine sehr gute Wahl
getroffen hat.“
Während Wilbert das sagte, lag in seinem
Blick ein eigenartiger Ausdruck, den Eliza nur schwerlich zu deuten vermochte.
Neben ehrlicher Wertschätzung und ernsthafter Sympathie schien da noch etwas
wie Sorge oder Kummer zu sein. Dann räusperte er sich: „Bitte verzeihen Sie
meine Offenheit, Miss. Ich habe übrigens mit Stolz vernommen, dass Ihnen die
Hühnerbrühe gemundet hat. Ich habe mir daher erlaubt noch eine Abwandlung davon
zuzubereiten. Es handelt sich um ein leichtes Zwiebelsüppchen mit Ingwer auf
der gleichen Basis.“
Eliza musste grinsen: „Eine Suppe mit
antibakterieller Wirkung?“
Wilbert schaute sie anerkennend an
und musste ebenfalls grinsen: „Genau, Miss. Außerdem habe ich Ihnen eine
gesunde Hähnchen-Gemüse-Quiche gemacht, falls es Ihnen nach etwas fester
Nahrung verlangen sollte. Sie oder ihr Nachbar finden beides in Ihrem
Kühlschrank.“
„Das ist wirklich unheimlich lieb
von Ihnen, Wilbert. Sie sind mit Ihren vielseitigen Talenten sicherlich ein
wahrer Segen für Ihren Dienstherrn. Sagen Sie, gibt es eigentlich Zeiten, zu
denen er Ihre wunderbaren Kochkünste in Anspruch nimmt?“
Wieder nahm Wilberts Gesicht diesen eigenartigen Ausdruck an und Eliza meinte in seiner Miene fast
eine Art Mitleid zu erkennen: „Sie fragen das, weil er in Ihrer Gegenwart
niemals isst. Nun, der Baron ist in vielerlei Hinsicht ein außergewöhnlicher
Mann und zu seinem Leben gehören einige unumstößliche Regeln, unter anderem,
dass er ausschließlich allein isst. Aber Sie haben recht, in seinen Diensten komme
ich nicht allzu häufig dazu, mein Faible für das Kochen zu pflegen.“
Eliza runzelte die Stirn: „Sie kennen
ihn sehr gut, oder? Wie lange arbeiten Sie schon für ihn?“
„Oh ja, Miss. Schon seit vielen Jahrz -“, er unterbrach und verbesserte sich selbst: „Schon
seit einigen Jahren.“
Er lächelte wieder: „Kann ich sonst noch
etwas für Sie tun, Miss? Darf ich Ihnen noch irgendetwas bringen?“
Eliza schüttelte mit dem Kopf: „Nein
danke, Wilbert. Sicherlich habe ich Ihre Zeit schon
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