Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition)

Titel: Somnia: Tagebuch 1991 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kempowski
Vom Netzwerk:
Eigenartig, wie sicher man sich sofort mit so einem Dings fühlt, obwohl jeder Mensch ohne weiteres drübersteigen kann. – Gartenmauern, hoch, mit Moos in den Fugen und Eidechsen, und an ausgeklügelter Stelle der Gärtnerpavillon mit seinen Harken und Hacken, ursprünglich als Kaffeepavillon gedacht. – Schulze-Naumburg, ansonsten ein unangenehmer Vertreter, hat immer wieder auf die Schönheit von Gartenmauern hingewiesen. Aber für Leute, die an dem Grundstück vorübergehen, hat so was auch viel Störendes. – Jorinde und Joringel.
     
    Timothy Garton Ashs Traum vom Glück ist ein telefonfreier Raum (FAZ).
    Gestern ein düsterer Mann mit Augenklappe.«Ich hab’ hier in Quickborn den Hundefriedhof.»Vor kurzem habe er sogar eine weiße Maus beerdigt.
    «Sirius»wird überall mit Zustimmung, Freude empfangen.
    «Ovationen». Keines meiner Bücher wurde bisher so aufgenommen.
    Chaotische, mörderische, schwankende Zeiten.
     
    Biermann hat den Büchnerpreis bekommen. Er sei ein Heine unserer Tage. Nach Holland wollte er emigrieren damals, weil er vom Regen in die Jauche gekommen sei.
     
    2007: Ich verstehe bis heute nicht, daß die Ausgewiesenen nicht wie Känguruhs in den Westen gehüpft sind vor lauter Freude. Manche durften sogar alle Sachen mitnehmen. Und trotzdem: tieftraurig, die sozialistische Heimat verlassen zu müssen. Nein, hier fehlt mir jegliches Verständnis.
     
    Timmendorfer Strand
    Eine in Stettin geborene Dame, die in Stockholm gelebt hat und nun schon seit 20 Jahren hier ist. Sie erholt sich in den Wäldern Norwegens. Erzählte von den atomverseuchten Gebieten dort, daß die Rentiere abgeschlachtet werden müssen. Im Fluß ein Fisch hochgradig kontaminiert, ein anderer gar nicht.
    Auf der Hinfahrt eine Stunde Stau vor dem Elbtunnel, weil am Freitagnachmittag nur zwei Röhren auf jeder Seite geöffnet sind. Sieht nach Schikane aus. Ich stellte mir vor, ich hätte angehalten und um die Ecke geguckt. – Ich kam infolgedessen zu spät, mußte ja auch noch essen. Während des Lesens sah ich über die Menschen hinweg auf die weiß leckende Ostsee. Voller Saal, ca. 250 Menschen, sehr freundlicher Empfang und herrliches Mitgehen. Langer Applaus und viel signiert. Hinterher mit Tina vom Pfefferminz-Club und deren Eltern noch gesessen. In der Nacht nach Haus.
     
    In der Post eine mehrbändige Biographie, geschenkt. WK I. Sehr gut! Autor heißt Kleiner.
    Eine Frau meinte, der Anfang von«Hundstage»sei langatmig gewesen. Aber wenn sie an Eco denke, da sei das ja gar nichts. Drei Seiten Einleitung sind vielleicht wirklich für den Normalleser etwas zu lang. Was so’n richtiger Romanschreiber ist, der springt gleich mitten hinein ins volle Menschenleben. – Aber diese drei Seiten sind ja gemessen an den«Bildern»der«Großen Zeit»wenig. Sind das nicht sogar 30? Und die Leser schlucken’s. – Hildegard meinte damals, deshalb werde der Roman nicht gekauft werden, und dann setzten wir 100 000 ab. Ich wußte ja, daß die Chronik neun Bände umfassen würde, und so was braucht schon eine längere Einleitung, eine«Rampe», wie ich es damals nannte.
     
    2007: 3000 Druckseiten sind es dann tatsächlich geworden. Immerhin, nicht wahr?
     
    Die Veranstalterin hat vorher geträumt, daß sie meinetwegen den Hofknicks geübt hat.
     
    «Wenn eine Frau liebt..., dann liebt sie immer. Ein Mann hat zwischendurch zu tun»(Luhmann).

Nartum So 5. Mai 1991
     
    1818: Karl Marx geboren
    Oldenburg: Hörspiel vorführen und über Verfilmungsschwierigkeiten sprechen, Umsetzung eines Romans in einen Film:
    a. Fechner
    b. Schauspieler
    c. Drehbuch-Ekel
    d. Schauplatz (Harburg)
    e. Mißverständnisse
    f. Was unter den Tisch fiel (Hamburg, Flüchtlingstreck, Wendhof)
    g. der Erzähler
     
    Aus dem reichlichen Fundus die Fotos der Schwester und das Tonband der Mutter.

nach Hamburg Di 7. Mai 1991
     
    Gestern nur noch sechs Zuhörer in Oldenburg. Ich schoß meine Raketen in einen sternenklaren Himmel ab, trug’s mit Humor.
    Ich erspare mir hier zu fragen, ob es in ganz Oldenburg wirklich niemanden gibt, der Zeuge sein möchte, wie ein Schriftsteller Rechenschaft über sein Lebenswerk ablegt.
    Der«Tadellöser»war an der Reihe, ich hielt den Vortrag nicht ohne Rührung nach einem Konzept, das ich schon 1971 ausgearbeitet habe, das also volle 20 Jahre unter der Nummer A/36 im Archiv liegt. All meinen frühen theoretischen Überlegungen haftet etwas Laienhaftes, Ungekonntes an. Erst jetzt, vielleicht seit«Herzlich

Weitere Kostenlose Bücher