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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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noch einen Euro
und zwei Cent; davon konnte ich mir nicht einmal mehr etwas zu essen
kaufen. Auch wäre ich endlich gern ins Trockene gekommen. Hier
draußen würde ich mir noch den Tod holen.
    »Es tut mir Leid…«, sagte die Sekretärin
erneut.
    »Wo wohnt Herr Harder? Sagen Sie es mir!«
    »Aber ich kann doch nicht…«
    »Oh doch, das können Sie! Sie haben keine Ahnung, wie
wichtig es ist. Wollen Sie vielleicht wegen unterlassener
Hilfeleistung zur Rechenschaft gezogen werden? Na, wie würde
Ihnen das gefallen?« Etwas anderes war mir in der Eile nicht
eingefallen.
    »Also, ich weiß nicht…«
    »Geben Sie sich einen Ruck! Helfen Sie mir! Sehen Sie denn
nicht, dass ich in einer schrecklichen Klemme stecke?«
    Die Sekretärin sah mich an wie ein Insektenforscher, der
gerade einen ausnehmend kümmerlichen Schmetterling
aufgespießt hat und nicht weiß, ob er ihn behalten
soll.
    »Also gut«, sagte sie schließlich und drehte
nervös ihren Regenschirm in der Hand. »Herr Harder wohnt in
der Gartenstraße 23.«
    »Wie komme ich dahin?«
    »Die Rosenbergstraße hoch und bei dem
Haushaltswarengeschäft Minninger nach links.«
    »Vielen Dank! Sie haben mir das Leben gerettet!«
     
    * * *
     
    Als Heinrich Harder mir im Hausmantel die Tür öffnete
und mich ansah, erkannte ich an seinem schuldbewussten Blick sofort,
dass er mein Sparbuch geplündert hatte.
    »Aber bitte, kommen Sie doch herein. Sie sind ja ganz
nass.«
    Er geleitete mich in sein Wohnzimmer und ließ mich dort kurz
allein, während er ein Handtuch aus dem Bad holte. Ich bemerkte,
dass sich um meine Schuhe herum Pfützen auf dem dunklen
chinesischen Teppich bildeten. Harder kam zurück, gab mir
wortlos das Handtuch und setzte sich mir gegenüber in einen
ausladenden Ohrensessel. Er sagte nichts, sondern sah mich nur an,
während ich mir die Haare frottierte und das Gesicht trocken
rieb. Dann faltete ich das Handtuch zusammen und legte es mir in den
Schoß.
    »Mein Geld ist weg«, sagte ich ohne Umschweife. Der
Notar gab noch immer keine Antwort. »Jemand hat mein Sparbuch
leer geräumt«, versuchte ich es noch einmal.
    Der Notar räusperte sich. »Juristisch gesehen ist es
nicht Ihr Sparbuch.«
    »Das sind Spitzfindigkeiten! Sie selbst haben gesagt, dass
ich darüber verfügen kann!«
    »Aber ich habe nie gesagt, dass Sie der Einzige sind, der
eine Vollmacht besitzt.«
    »Und wer hat noch eine? Sie, möchte ich
wetten.«
    Harder sagte nichts darauf. Er strich nervös mit der Hand
über die Lehne seines Sessels.
    »Warum?«, wollte ich wissen. »Warum dieser ganze
Zirkus?«
    »Ich hatte es Ihnen freigestellt, die Verfügung
anzunehmen oder nicht. Sie hatten die Wahl. Sie haben sich dazu
entschieden, sie anzunehmen.«
    »Was hätten Sie denn an meiner Stelle getan? Ich will
jetzt wissen, was hier los ist!« Ich verkrallte die Hände
in das weiche, feuchte Handtuch.
    »Das weiß ich selbst nicht. Ich weiß nur, dass
Ihr Onkel – bei aller Liebenswürdigkeit, die er manchmal
aufbringen konnte – ein seltsamer Kauz war.«
    »Warum haben Sie mein Sparbuch geplündert?«
    Nun gab Harder seine Gegenwehr auf. »Weil ich in der Tat
ebenfalls eine Vollmacht habe und weil Ihr Onkel mir befohlen hat,
das Sparbuch genau eine Woche, nachdem Sie darüber verfügen
konnten, aufzulösen.«
    »Warum? Ich sehe keinen Sinn darin. Warum hält er mir
erst sein ganzes Geld wie eine Mohrrübe vor die Nase und zieht
sie dann wieder weg? Was wäre denn, wenn ich bereits das gesamte
Geld abgehoben hätte?«
    »Ihr Onkel sagte mir, dass dies äußerst
unwahrscheinlich sei. Er schien Sie recht gut zu kennen. Er hat
gesagt, dass Sie zwar – entschuldigen Sie bitte den Ausdruck
– reichlich flatterhaft und unfähig seien, aber nicht zur
Verschwendung neigen würden. Vielmehr würden Sie
äußerst sorgfältig mit dem Geld umgehen,
denn…« – er räusperte sich und zupfte am Kragen
seines blütenweißen Hemdes – »… denn ihre
Faulheit sei noch viel größer als Ihr Verlangen, Geld zum
Fenster hinauszuwerfen. Sie würden lieber karg leben und
dafür nicht arbeiten müssen, als eine halbe Million rasch
ausgeben und dann wieder selbst für den täglichen Unterhalt
sorgen müssen.«
    Das saß. Ich glaube, ich lief rot an. Schon hatte ich einige
saftige Schimpfworte auf der Zunge, doch ich schluckte sie herunter,
auch wenn sie mich dabei fast erstickten. Ich musste mir eingestehen,
dass Onkel Jakobs Einschätzung meiner Person leider gar nicht so
falsch war.
    »Und nun?«, fragte

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