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Somniferus

Somniferus

Titel: Somniferus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Siefener
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nicht der Grund für
diese Wahnsinnstat sein, denn es stand ja noch an seinem alten
Platz.
    Lisa Adolphi sah jetzt aus, als befinde sie sich kurz vor einem
Weinkrampf. Alte Erinnerungen schienen in sie zurückzufluten.
Sie begann heftig zu schluchzen, obwohl sie sich alle Mühe zu
geben schien, ihre Gefühle zu unterdrücken. Ich hielt es
nicht mehr aus, sprang aus meinem Sessel auf und lief an ihre Seite.
Gerade als ich ihr tröstend über das Haar streichen wollte,
fuhr sie wie von einer Nadel gestochen hoch und schrie mich am:
»Fass mich nicht an, du Mörder! Mich bekommst du
nicht!«
    Ich war entsetzt. Es war, als habe mir jemand mit einem nassen
Handtuch ins Gesicht geschlagen. Lisa Adolphi wich bis zum
nächsten Regal zurück und drückte sich mit dem
Rücken dagegen. »Keinen Schritt weiter!«, brüllte
sie mich an. Dazu wäre ich gar nicht in der Lage gewesen, denn
ich stand wie versteinert da.
    »Ich… ich«, stammelte ich. »Ich habe Ihnen
doch erklärt, dass ich es nicht war.«
    »Wer sollte es denn sonst gewesen sein?!«, schrie sie
mich an. »Warum!? Sagen Sie mir, warum! Nur wegen dieses Buches?
Nehmen Sie es, ich flehe Sie an, nehmen Sie es und dann verschwinden
Sie von hier! Sie haben schon genügend Unheil
angerichtet!«
    Einen Augenblick lang war ich versucht, ihr Angebot anzunehmen.
Das Buch! Meine Lebensversicherung! Aber ich musste erst mit dieser
Frau ins Reine kommen. »Es geht mir jetzt nicht um das
Buch«, sagte ich und versuchte, ruhig zu bleiben. »Mir ist
wichtig, dass Sie mir glauben.«
    »Warum sollte ich das?«, stieß sie unter
Schluchzen hervor. Sie wurde so bleich, dass ich schon
befürchtete, sie würde ohnmächtig. Sie tastete nach
dem Regal in ihrem Rücken und hielt sich an den Böden
fest.
    »Glauben Sie wirklich, dass ich Sie aufsuchen würde,
wenn ich der Mörder Ihres Vaters wäre?«, sagte
ich.
    »Ja, weil Sie das Buch haben wollen. Nehmen Sie es doch
endlich und dann verschwinden Sie. Ich kann es nicht mehr
ertragen.« Sie sackte in sich zusammen, glitt mit dem
Rücken an den Regalen entlang, bis sie auf dem Boden hockte. Ich
machte einen Schritt auf sie zu und wollte ihr helfen aufzustehen.
Sie quetschte sich gegen das Regal, als wolle sie
hineinschlüpfen, und wimmerte. Ich blieb stehen.
    Was war, wenn ich jetzt ginge? Ich müsste ganz schnell aus
diesem Ort verschwinden. Aber Lisa Adolphi hatte mich so lange
gesehen, dass sie sicherlich jetzt in der Lage war, mich in allen
Einzelheiten zu beschreiben. Die nächste Phantomzeichnung
würde mir ziemlich ähnlich sein. Und wo sollte ich mich
dann noch verstecken? Nein, mit diesem unbedachten Besuch hatte ich
meine Zukunft verspielt – wenn es mir nicht gelang, die junge
Frau von meiner Unschuld zu überzeugen.
    »Glauben Sie mir…«, begann ich. Weiter kam ich
nicht.
    Ich hörte, wie draußen auf dem Kies der Auffahrt ein
Wagen hielt. Lisa Adolphi sprang plötzlich vom Boden hoch. Bevor
ich noch etwas sagen konnte, war sie auch schon aus dem Zimmer
gelaufen. Ich hörte, wie sie die Haustür aufriss, und dann
hörte schwere Tritte in der Diele. Ich ging ans Fenster und warf
einen Blick hinaus.
    Dort stand ein Polizeiwagen.
    Lisa Adolphi hatte vorhin offenbar nicht nur ein Glas Wasser
geholt…
    Zwei Polizisten betraten die Bibliothek. Der eine, ein bulliger
Kerl mit einem walrossartigen Schnauzbart, raunzte mich an: »Ich
verhafte Sie hiermit wegen Mordes an Friedrich Adolphi. Peter, die
Handschellen.«
    Der andere Polizist, ein schmächtiger Mann mit dünnen,
flachsblonden Haaren und hängenden Backen, drehte mir recht
unsanft die Hände auf den Rücken, durchsuchte mich,
drückte mir die Hände wieder nach vorn und ließ die
Handschellen zuschnappen. Dann nahmen sie mich mit nach
draußen. Als ich in den weiß-grünen Wagen stieg,
warf ich Lisa Adolphi einen letzten, flehentlichen Blick zu.
    Sie zitterte und kehrte in das Haus zurück. Als sie die
Tür hinter sich zuschlug, war es mir, als habe sich die Tür
zu meiner Zukunft ebenfalls endgültig geschlossen.

 
9. Kapitel
     
     
    Der Kommissar trug einen dunkelblauen, flott geschnittenen
Nadelstreifenanzug, eine randlose Designerbrille, elegante Schuhe und
eine Seidenkrawatte, von deren Kaufpreis ich wohl einen ganzen Monat
hätte leben können. Sein blondes Haar war in einer
Fönwelle nach hinten gekämmt; einige Strähnen fielen
ihm kokett in die niedrige Stirn und verliehen ihm ein dynamisches
Aussehen.
    »Kann mir vielleicht jemand diese Dinger

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