Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
ab, stolperte fast über seine Tunika und streifte mit dem Knie den Holzbottich. Das abgestandene Badewasser schwappte gegen den Rand. Tarabas legte sich in sein Strohbett und starrte auf das Gemälde seines Großvaters, Hölder von Gölder. Eine Spinne seilte sich vom Rahmen abwärts und in einer Ecke kauerte eine Maus mit knurrendem Magen. Mutter war von unten zu hören. Sie summte das Lied, das sie mit Vater verband und es hieß ‚Das Libellenlied’, weil sie Vater an einem Weiher kennengelernt hatte, der von Libellen und deren Singsang nur so bevölkert war. Dieses scheußliche Lied summte sie gern, wenn sie das Morgenessen zubereitete. Draußen wieherte ein Pferd und eine Glatzköpflerin fluchte.
Wie es Vincent gerade ging? Es ließ Tarabas keine Ruhe, dass er ihm keine Hilfe war und er suchte die Schuld bei Fumè. Tut so, als wäre er ein Heiliger!
Wäre doch Großvater noch am Leben. Der würde ihn den Umgang mit Waffen lehren, dessen war sich Tarabas sicher. Er musste an eine dieser vielen Geschichten denken, die man sich über Hölder von Gölder erzählte.
»In einer Winternacht ist er zu seinem Heimatdorf unterwegs in Begleitung eines einäugigen Dieners. Die Äste tragen schwer am nassen Schnee, der Mond scheint vereist. Die beiden passieren einen klobigen Felsbrocken, da lässt sie ein Knurren herumfahren. Hyranias. Vier an der Zahl. Sie ähneln den Wölfen, diese Ausgeburten der Nacht, und sind in der Lage, ihre Opfer mit einem Bissen zu verschlingen. Der Einäugige flieht, zwei Hyranias jagen hinterher. Bald liegt er zu je einer Hälfte in deren Mägen. Bevor sich die beiden noch hungrigen Hyranias auf Hölder von Gölder stürzen können, verwandelt der den Felsbrocken in eine Sonne. Die Biester fangen Feuer und hasten wie brennende Fackeln davon. Hölder von Gölder zieht sich einige Brandwunden zu, sein Kinnbart versengt, aber er überlebt dank seiner Kriegskunst.«
Als sich Tarabas dessen besann, kam ihm die Idee, wie er Fumè doch noch überzeugen könnte. Er musste das Kriegshandwerk erlernen, um sich zur Wehr setzen und überleben zu können. Dass er darauf nicht längst gekommen war? Bei der Sache mit den Hopplern hätte er sich zur Wehr setzen können und bei dem vermeintlichen Ungeheuer, der Meerjungfrau, ebenso.
Dagegen konnte Fumè also keine Einwände erheben. Mit einem Ruck war Tarabas obenauf. Während die Maus die Spinne zernagte und eine Fleischfliege durch den Raum surrte, reckte er siegessicher beide Fäuste in die Höhe.
Seine Mutter rief nach ihm. Essenszeit. Er kleidete sich an und nahm sich vor, ihr ein bisschen von seiner guten Laune abzugeben.
Der Tisch war mit einem Laib Brot, Haferbrei und einem Schälchen Honig reichlich gedeckt. Dazu standen Tee und Milch zum Trinken bereit. Die Mutter bröselte an einem Stück Brot und schien in Gedanken versunken zu sein. Bestimmt dachte sie wieder an Vater. Sie stand auf, ging vor zum Kamin und stocherte in den Kohlen herum. Sie hatte mal erzählt, dass dieses Geräusch sie an ihn erinnerte. Wenigstens respektierte sie Tarabas’ Wunsch, in seiner Gegenwart nicht das Libellenlied zu summen. Als sie wieder am Tisch saß und einen Schluck von der Ziegenmilch nahm, verzog sie das Gesicht. Tarabas gab zu, dass die Milch tatsächlich nicht besonders gut schmeckte und er daran auch teilweise schuldig war. Die Arbeiten, die ihm zugewiesen waren, hatte er in letzter Zeit vernachlässigt.
Er holte die Flöte aus seinem Zimmer und postierte sich vor dem Stall mit den Schweinen und Ziegen. Durch seine Musik würden sie bald wieder bessere Milch geben. Die schöne Kriemulde lehnte seufzend an ihrem Fenster, aus dem gegenüberliegenden Haus klatschte ein älterer Glatzköpfler rhythmisch in die Hände. Tarabas war das unangenehm, er wollte nicht zur Belustigung beitragen, trotzdem spielte er noch eine Weile, der Mama zuliebe und der Milch.
Als er wieder am Tisch saß, summte sie die Melodie, die er gerade den Tieren vorgespielt hatte. Er überlegte, wie er ihr eine weitere Freude bereiten konnte. Den Gedankenzauber anwenden, das wäre eine Möglichkeit. »Sieh mal her.« Er schob die Tasse so hin, dass sie gut auf die Teeoberfläche sehen konnte. Er wollte Kriemulde darauf reflektieren, und wie sie sich am Hintern kratzte oder ihren Nachttopf ausschlürfte. Das würde Mutter nicht nur ein Summen entlocken.
»Litzge! Burccki!«
Das Bild zeigte Vater, und wie er seinen Sohn umarmte, beide waren augenscheinlich einander zugeneigt.
Weitere Kostenlose Bücher