Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
dann schlurfte sie von dannen, bestimmt, um die Neuigkeit zu verbreiten.
»Ohje«, seufzte Tarabas und spielte mit einem Knorpel von der Wurzel, auf der er saß. »Der denkt bestimmt, dass ich den Untoten verraten hab.« Was ihn noch mehr bekümmerte: Wertvolle Zeit ging verloren. Und wenn ich mir seine Kriegsbände borge? Doch da war die kaputte Treppe, die Dunkelheit, überdies der fade Beigeschmack, dass damit sein Meister nicht einverstanden war. Verdammt! Er schnellte hoch und zerdrückte aus Wut den Holzwurm, an dem noch ein bisschen das Traumbild der Siamesischen Zwillingswespe schimmerte.
»Du Idiot!«, rief Vincent. »Das ist Mr. Wolnti.«
Tarabas zeigte ihm den Holzwurmmatsch an seinen Fingern. »Das war Mr. Wolnti.«
Der Goldfisch verzappelte das Kräutergemisch, dann schnappte der Maulwurf zu und mit einem Bissen war der Fisch vertilgt. Tarabas überlegte, ob er ihm den Holzwurm als Nachtisch reichen sollte.
»Untersteh dich«, murmelte Vincent, als hätte er Tarabas’ Gedanken gelesen.
***
Dass es später Nachmittag war, konnte Goncko nur erahnen, denn der Himmel war dunkel vor Wolken, die sich mit Ruß und Staub gespeist hatten. Der Krieg war vorüber und bald würde es wieder hell werden über Dragonien.
Goncko hob seine rechte Schwinge, die von einer tiefen, noch nicht verheilten Fleischwunde gezeichnet war. Er schnaubte Feuerbällchen aus, weil der Flügel so verdammt schmerzte, doch er musste es versuchen. Die Sehnsucht nach seiner Eisprinzessin war nicht mehr länger zu ertragen. Er musste sehen, wie es ihr ging und ob schon Eisblumen in dem Eisgarten gewachsen waren. Während des Krieges gegen Uldins Zwerge dürfte in ihre Drachen-Eiswelt der Frühling eingekehrt sein.
Wieder stoben Feuerbällchen aus den Nüstern, weil der Schmerz ihn dazu zwang. Den Flügel ruhiger halten, sonst wäre es nicht zu schaffen. Mit irgendetwas kühlen, das wäre eine Wohltat. Doch Dragonien bestand derzeit nur aus ausgebrannter Erde und zu Humus zerfallenden Kriegsleichen.
Goncko konzentrierte sich. Zur Not würde er eben im Land der Abandonier landen, wenn er es nicht bis zum Gletscher und zu dem vereisten Wasserfall schaffen würde. Er stellte sich auf die Hinterbeine, hob das heile, dann den verletzten Flügel und schwang sich empor, den staubgrauen Wolken entgegen. Es ging besser, als er gedacht hatte. Vielleicht lag es auch an der Vorfreude, die ihm Kraft schenkte. Die Gedanken an seine Eisprinzessin beflügelten ihn. Immer höher und höher schwang er sich. Die Sicht wurde so schlecht, dass er die Augen schließen musste. Dann brach er durch die Wolken und darüber war die Welt von der abendroten Sonne in ein rosa Licht getaucht. Goncko atmete Freiheit und klare Luft und schwang sich über die Wolkendecke hinweg seiner großen Liebe entgegen.
Er landete in Abandonien neben einem Weiher. In der Nähe befand sich eine Barackensiedlung. Auf der gegenüberliegenden Seite erstreckte sich ein Feld mit roten Rosen und davor lag eine Hütte, um die sich Wurzeln verwachsen hatten, als würde eine unterirdische Pflanze versuchen, die Hütte in die Tiefe zu ziehen. Goncko blickte zu den entfernt liegenden Bergen. Dort, in einem der weißen Gletscher, lebte seine Eisprinzessin. Ein wenig trinken, die verletzte Schwinge etwas schonen, dann würde er das letzte Stück in Angriff nehmen.
Plötzlich spürte er jemanden in seiner Nähe. Er blickte sich um. Ein Untoter stand oben auf der Kuppenwiese. Um seinen Hals hing ein Blumenkranz, um die Blütenkelche schwirrten Mücken. Goncko sah, dass aus den Maden, die in den nagellosen Zehen des Untoten nisteten, Fliegen schlüpften. Der Untote hob eine Klaue und zelebrierte mit der mittleren Kralle den Friedensgruß. Goncko war das nicht geheuer. Es könnte eine Falle sein, und da er derzeit vom Kämpfen genug hatte und man einen bitter schmeckenden Untoten schon fressen musste, um ihn töten zu können, stieß er sich ab und flog weiter seines Weges.
Ob sie mich vermisst hat? Nagende Angst machte sich breit, ob sie so für ihn fühlte, wie er es sich wünschte oder ob er nur eine Ablenkung in ihrem eisigen Alltag gewesen war. Je näher er dem Gletscher kam, desto langsamer flog er. Die Erwartungen herunterschrauben, daran arbeitete er. Er wollte nicht enttäuscht sein, wenn sie ihn lediglich wie einen Freund begrüßte. Dank seiner scharfen Augen sah er sie bereits aus einer kilometerweiten Entfernung. Sie lehnte an einer Säule des Eispalastes und
Weitere Kostenlose Bücher