Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
»Jetzt glaube ich dir ja, dass du zaubern kannst.« Aber das hatte sie bestimmt nicht mehr gehört und wenn, wäre es ihr nur ein schwacher Trost gewesen.
»Ich geh zurück«, meinte Vincent. Goncko schloss sich ihm an, mit einem warmen Flattern im Bauch. Er musste sich eingestehen, dass er seine Gefühle für die Elfe nicht länger ignorieren konnte. Nach einigen Schritten hörte er den Mondmann »Sonne! Sonne!« rufen. Wie von Sinnen rannte Mondi auf das Elfenloch zu. »Sonne! Sonne!«
»Hey! Dir bekommt der Umgang mit der Elfe nicht«, rief Goncko, doch der Mondmann lief weiter auf das Loch zu.
»Pass auf!« Goncko eilte ihm nach, wollte ihn davor bewahren, zu springen, und kam doch zu spät. Der Mondmann stürzte in die Tiefe, der Zwerg konnte ihm nur noch hinterhersehen. Vincent kam dazu, die Hand vor dem Mund. »Was war das denn?« In diesem Augenblick gab es einen dumpfen Schlag und sie konnten sehen, dass der Mondmann unten durchgebrochen und auf dem Mond gelandet war. Er stand auf, putzte sich die Beine sauber, dann schloss sich die Erde und der Boden, der Gonckos Abgründe und die der Elfe abgezeichnet hatte, war ebenerdig wie zuvor.
Goncko fragte sich, wie es dazu kommen konnte, dass der Mondmann das finstere Loch mit der Sonne verwechselt hatte. Aufmerksam sah er sich um und nahm hinter dem Rosenfeld einen gespaltenen Schatten wahr. Die Siamesische Zwillingswespe!
Wie von Sinnen jagte Goncko auf den Schatten zu, direkt durch das Feld und ohne die vielen Rosen mit ihren scharfen Dornen zu beachten. Er riss seine Haut blutig, sein Gesicht, er spürte den Schmerz nicht, nur die Lust zu töten. Blind vor Wut durchrannte er das Feld, bis er hinter dem Rosenfeld auf verbrannter Erde vor Erschöpfung zusammensackte. Die Siamesische Zwillingswespe war nicht mehr zu sehen.
Vincent war bald über ihm, an seiner Mimik war zu erkennen, dass etwas nicht stimmte. »Du siehst aus wie Hackfleisch. Dafür brauche ich ja ein Kilo Kräuter, mindestens. Bleib bloß liegen.« Er legte den Maulwurf neben Goncko ab und entfernte sich.
»Maunz?«
»Papa kommt bald wieder«, meinte Goncko und stöhnte auf, weil ihm das Sprechen wehtat. Er hatte sich in der Haut des Zwerges nicht wohlgefühlt, doch in einer von Dornen zerrissenen Haut fühlte es sich gleich noch viel unwohler an. Wie das schmerzte. Er starrte zum Himmel und versuchte, sich ganz ruhig zu halten. Etwas surrte an seinem Ohr, Sinibaldo maunzte aufgeregt, die Wolken zogen vor der Sonne vorüber, Goncko hörte sein Blut zu Boden tropfen, dann eigenartige Stimmen, ganz nah.
»Isse arme Kerle. Isse tode?«
»Na! Der is net dout!«
»Die viele Blute. Musse ma was mache!«
»Wir könnten ihn stecha! So wie vor Tagen. Mocht bestimmt wieder so a Gaudi.«
Die Siamesische Zwillingswespe! Goncko drehte sich auf den Bauch, ignorierte den Schmerz und stemmte sich mit den Händen hoch. Da war sie! Wenige Meter entfernt. »Wos schaust so bled?«, fragte der eine Kopf.
»Kommt her«, brüllte Goncko. »Dann reiß ich euch in Stücke.«
»Maunz!«
»Manus, die Hexe kommt«, sagte der andere Kopf, worauf sie sich davonmachte. Goncko hörte Schritte hinter sich und ein lautes »Verschwindet«. Dann flog eine Mistgabel über ihn hinweg, spießte und wippte sich an der Stelle aus, an der die Siamesische Zwillingswespe gestanden hatte.
Ein Schatten fiel auf Goncko. Er sah auf. Die Hexe, die ihn in einen Zwerg verwandelt hatte, blickte ihn schuldbewusst an. »Was willst du denn?«, zischte er und musste die Zähne zusammenbeißen, weil ihn die Schmerzen dazu zwangen.
»Jetzt komm schon«, sagte Vincent, der wohl hinter ihm stand. »Sie will dir nichts Böses.«
»Ah ja?«
»Was ist denn das für ein süßes Kerlchen?«, fragte jemand anderes. Jung und weiblich, die Stimme.
»Maunz?«
»Ich hätte nicht mitkommen sollen«, murmelte die Hexe, während sie zu der Mistgabel ging. Goncko sah ihr nach. Gebeugt ging sie, schlurfend, während Vincent dem jungen Weib Sinibaldo vorstellte. Und so lag er da, eine Zeit lang, von Dornen zerkratzt, blutüberströmt, die Hexe an der Mistgabel verharrend, mit dem Rücken zu ihm und Vincent im Gespräch mit dem Weib. »Hallo?«, fragte Goncko gequält. »Ich will ja nicht stören, aber …«
»Oh, verzeih«, sagte Vincent.
»Mutter!« Die, mit der der Haarige geflirtet hatte, war also die Tochter der Hexe. »Hilf uns mal.«
Goncko schloss die Augen, als sie irgendein Kräutergemisch über seinen Körper verschmierten. Ab und an
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