Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
»Aber lass das deine Alte nicht hören.«
»Ach die«, winkte Felix ab.
Am Nebentisch saß eine Horde alter Hausfrauen, die zum Weiber¬abend geladen hatten. »Wenn ihr uns nicht hättet«, rief eine rüber. »Würdet ihr nur noch weinen.«
»Ja, vor Freude«, erwiderte einer vom Stammtisch. Sie stießen mit ihren Biergläsern an. Felix leerte sein Glas.
»Oli!«, rief der neben ihm. »Bring dem Felix noch eins.«
»Nein, du. Ich muss los, hab schon genug Stress.«
»Red nicht!«
Felix ließ sich überreden und blieb noch zwei Bier, um sich dann auf den Weg zu machen. Er hatte zwischendurch seiner Frau eine SMS geschrieben, dass sie ihn abholen sollte. ‚Du kannst mich kreuzweise‘, hatte sie geantwortet.
»Du willst doch in dem Zustand nicht Auto fahren, oder?«
»Meine Frau wartet draußen«, log Felix.
»Dann kotz ihr das Auto nicht voll.«
Felix trat einen Schritt auf seinen Saufkumpanen zu und würgte. Er tat, als würde er sich jeden Moment erbrechen und den Mageninhalt im Schoß des Typen verteilen. »Hau ab!«, rief der in Erwartung einer Sauerei. Felix lächelte und zeigte ihm, dass er nur gespielt hatte.
»Selbst im Suff ein Schauspieler«, kommentierte ein anderer und hob sein Glas. »Schlaf gut, Felix!«
»Schlaf gut?«, meinte der Typ neben ihm. »Der wird jetzt noch seiner Alten auf die Pelle rücken.«
»Bei dem Zustand kriegt der nicht mal mehr den Arm hoch …«
»Ach, Ciao, ihr Labertaschen!«, sagte Felix und wankte zum Aus¬gang, wo die Wintermäntel an der Wand hingen.
»Wie kommst du heim?«, fragte der Wirt, der hinter der Theke stand.
»Meine Frau. Sie wartet.«
»Das nenne ich Liebe.«
»So sieht es aus!«
»Dann eine gute Nacht.«
»Bis dann!« Felix stülpte sich umständlich den Wintermantel um.
Hinter ihm stimmten die Gäste ein Lied an, dann war er aus der Tür und im Freien. Sein Atem zerrieselte in der Kälte. Fast wäre er an einer eisigen Stelle ausgerutscht. Gerade so konnte er sich am Geländer festhalten. Langsam tastete er sich die Stufen zum Parkplatz runter, der frisch eingeschneit war. Keine Fußabdrücke waren zu sehen.
Vor einem roten Opel stützte er sich an der Motorhaube ab. Er hielt die Hand vor den Bauch und würgte. Im nächsten Moment kotzte er neben das Auto. Er schüttelte den Kopf und wischte sich den Mund mit dem Jackenärmel ab. Die Nacht war trübe. Wolkenverhangen der Himmel. Aus dem Gasthaus drangen die Lieder, wie aus einem fernen Ort. Felix fischte den Autoschlüssel aus der Hosentasche und sperrte den Opel auf. Er spuckte noch einmal den Geschmack aus dem Mund und setzte sich auf den Fahrersitz. Er schloss die Augen und schüttelte sich die Müdigkeit aus dem Kopf. Dann startete er den Wagen. Das Autoradio ging an, »Fiesta, Fiesta Mexikana«, war in voller Lautstärke zu hören. Felix schunkelte im Takt zur Musik und fuhr los. »Heute gebe ich zum Abschied ein Fest!«, trällerte er mit.
In einer lang gezogenen Kurve kam er auf die Gegenfahrbahn. Ein entgegenkommendes Auto blendete auf und hupte. Gerade so riss er das Lenkrad herum und verhinderte einen Zusammenprall. Der Schock hielt nicht lange an. Die letzten Klänge von ‚Vogel der Nacht‘ verhallten, Felix stellte leiser.
Als er eine Landstraße befuhr, konnte er kaum noch die Augen offen halten. Die Straße führte unter eine Brücke hindurch, die ein Laster gerade passierte. »Der Junge, mit der Mundharmonika« spielte und schläferte Felix mehr und mehr ein. Ein Hupen schreckte ihn auf. Grelle Lichter, er hielt die Hand vor das Gesicht. Das entgegenkommende Auto fuhr haarscharf an ihm vorbei. Im Rück¬spiegel sah er, dass das Auto ins Schlingern und von der Fahrbahn geriet und gegen die Brückenpfeiler donnerte. Felix trat auf die Bremse. Er stieg aus und eilte zum Unfallort. Ihm bot sich ein Bild des Grauens. Der Golf, ein älteres Modell, war an der Betonmauer zerdrückt, der Fahrer lag im Graben, sein Arm war abgetrennt, Blut im Schnee. Felix kam näher heran, und obwohl die Schädeldecke des Mannes offen war, schien er noch zu leben. Felix hielt sich die Hand vor den Mund. Er trat einen unsicheren Schritt zurück, wandte sich um und rannte zu seinem Auto.
***
Sebastian erwachte schweißgebadet. Was hatte er da nur geträumt? Felix sollte schuld am Tod seines Onkels sein? Das war doch nur ein wirrer Traum. Ein blöder, wirrer Traum, dachte er und knipste die Nachttischlampe an. Er setzte sich auf und griff sich das Handy. Es war bereits nach acht.
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