Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
offline. Auf seine Nachrichten hatte sie seit ihrem Treffen nicht mehr geantwortet. Sicher vergnügte er sich mittlerweile anderweitig, der Mann, von dem sie schwanger war. Sollte sie ihm eine Nachricht hinterlassen? Aber das war eine Schnapsidee. Sobald er erfahren würde, dass er Vater wurde, würde er sich abmelden und in die Anonymität verschwinden, um ja keinen Unterhalt bezahlen zu müssen. Sie klickte sich durch sein Profil und erschrak, als er plötzlich online angezeigt wurde. Sollte sie ihn anschreiben? Bevor Sie es sich anders überlegte, tippte sie ein ‚Hi‘ in sein Chatfenster. Er wirkte überrascht, dachte er doch, sie nie wieder zu lesen. Als sie nichts hinzufügte, schrieb er, dass sie ihm ein Rätsel sei und er Sehnsucht nach ihr habe. Dann auf die harte Tour, dachte Linda und schrieb: ‚ich bin schwanger‘
‚…‘ Mehr kam von ihm nicht.
Sie wartete. Jeden Augenblick würde er offline gehen. Stattdessen sah sie, dass er etwas schrieb.
‚freust du dich?‘
Wieder konnte sie darauf nichts antworten. Eine gefühlte Ewigkeit später erschien der Hinweis, dass Talisman83 etwas schrieb. ‚wer ist der vater?‘
Ihr Finger schwebte über dem ‚d‘. Dann tippte sie ein ‚du‘ in die Tastatur und drückte auf ‚senden‘.
Er schwieg. Für sie war das ein eindeutiges Zeichen.
‚mir ist klar, dass du jeden augenblick offline gehen wirst und ich nie wieder etwas von dir hören werde, aber es ist okay. ich meine, ich bin eine fremde für dich. ein paar prickelnde chats und irgendwo mal unter einer brücke gefickt. wäre ja zu viel verlangt, dass du da verantwortung übernimmst. also leb wohl und denk ab und zu an mich und dein kind.‘ Linda brach in Tränen aus und klickte auf ‚Chat schließen‘. Es wurde die Frage angezeigt, ob sie trotz bestehendem Chat offline gehen wolle? Sie fuhr mit dem Cursor auf ‚ja‘, doch be¬vor sie den Button klickte, sah sie den Hinweis, dass er etwas schrieb.
‚ich werde garantiert nicht offline gehen‘, erschien unter ihren letzten Worten.
Sie wartete einen Moment, dann klickte sie auf Abbrechen. Sie wollte etwas tippen, da kam er ihr zuvor.
‚und du sollst wissen, dass ich wohl gerade der glücklichste mann auf erden bin.‘
Linda dachte, dass sie sich verlesen hätte. ‚hä?‘
‚ein kind mit dir zusammen – es wäre ein traum.‘
Linda fühlte sich nicht ernst genommen. ‚lass das. mir ist nicht nach scherzen zumute.‘
‚mir auch nicht.‘
‚aha?‘
***
Am nächsten Morgen hatte Sebastian das Gefühl, all das mit Linda wäre nur ein schlechter Traum gewesen. Es kam ihm so surreal vor. Er saß an seinem Küchentisch, starrte auf das Foto, das Linda mit ihm zeigte und er zitterte vor Wut. Die Augen brannten, weil er die ganze Nacht nicht schlafen konnte, der Kopf schmerzte. Er schob die Gedanken wie Felsbrocken hin und her. Hätte sie ihm doch bloß nicht von der Schwangerschaft erzählt! Warum ging sie nicht gleich zum Arzt? Diese dumme Kuh! Er hasste sie. Seine Hände zitterten, so sehr hasste er sie in diesem Moment. Er hatte es doch schon überstanden, sich etwas mit Melissa aufgebaut.
Du hast es zertreten! Zum Teufel mit dir!
Er spuckte auf das Foto und warf es von sich. Es segelte an die Kante der Küchenzeile und blieb dort liegen. Er schloss die Augen und doch waren die Tränen zu stark. Sie schlüpften ihm durch die Lider.
Einmal tief durchgeatmet. Lässt sich von einem Wildfremden schwängern … Irgendwie hatte das etwas Tragikomisches. Er spürte, wie ihm das Lachen durch die Kehle kroch. Dann lachte er sich die Wut aus der Seele. Eigentlich war sie es doch, die zu bemitleiden war. Muss allein ein Kind großziehen, das sie nicht wollte. Die Probleme, die auf sie zukommen würden, wollte er nicht haben. Als er sich das bewusst machte, tat sie ihm leid.
Er wischte sich mit dem Ärmel die Wangen trocken. Dann stand er auf und holte sich das Foto. Die Spucke wischte er mit einem Taschentuch ab und schrieb auf die Rückseite: Viel Glück und pass auf dich auf!
Sie solle das Bild von ihnen in Ehren halten.
Heute war der Geburtstag von Maurice und zeitgleich war es der Tag, an dem er sich unwiederbringlich aus Lindas Leben verab¬schieden würde, dessen war er sich sicher. Er steckte das Foto in ein Briefkuvert und packte die Autobiografie von Jack Nicholson für Maurice ein. Auf dem Weg zu ihm würde er das Kuvert in ihr Postfach werfen.
Ihm war mulmig zumute, als er das Mietshaus betrat, in dem Linda im
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