Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
nicht jetzt.
»Na gut. Aber morgen um elf stehst du bei mir auf der Matte.«
»Bestimmt!«
Vlado legte auf. Der Kürbiskern hatte einen bitteren Geschmack auf seiner Zunge hinterlassen. Er betrachtete nachdenklich die Nummer. Den Anruf würde er später tätigen. Erst wollte er die Zeit beim Floh-marktbummeln zertreten.
Eine alte Frau legte sorgfältig Schmuck und feinste Handarbeiten auf den Ablagen zurecht, ein Mädchen half ihrem Vater mit dem Auspacken von Tonschalen. Es roch nach Leder und ein wenig nach Kuhmist. Vlado schlenderte an einem Stand vorüber, an dem hölzerne Figuren feilgeboten wurden. Er schenkte den geschnitzten Adlern und Tauben ein Grinsen. So ein Kitsch. Da fiel ihm eine Katzenstatue auf, die es sich zwischen hölzernen Fliegenpilzen gemütlich gemacht hatte. Er blieb stehen. In den grünen Glastalern, die als Augen dienten, spiegelte sich das Sonnenlicht.
»Willst du kaufen?« Rauchig klang die Stimme des graubärtigen Viet-namesen, der Vlado aufmerksam taxierte.
»Wie viel du wollen dafür?«
»700 Kronen.«
Vlado klopfte gegen die Holzfigur, ohne seinen Blick von dem Händ¬ler zu nehmen. »Ist nix gute Qualität.«
Der Händler kratzte sich an der Schläfe, seine Miene verdunkelte sich. »Doch – ist gute Qualität. Handgearbeitet. Wenn du willst, ich mache Sonderpreis, nur für dich. 550 Kronen.«
»550 Kronen? Ich zahlen nix 550 Kronen. Ich zahle 400 Kronen.«
»400 Kronen?«, fuhr der andere auf. »500 Kronen!«
Vlado wandte sich ab.
»400 Kronen ist gut. Ausnahmsweise«, murrte der Händler. Vlado zog ein dickes Geldbündel aus der Tasche und hielt es so, dass der Viet-namese es auch sehen konnte.
»Stimmt so.« Er hielt 200 Kronen über die Ablage.
»Ist ein Scherz, oder?«
»Ich nix machen Scherze, ich armer Schlucker«, entgegnete Vlado mit Unschuldsmiene und fächerte sich mit dem Geldbündel Luft zu.
Der Händler nickte als Zeichen, dass er verstanden hatte. Demons¬trativ verschränkte er die Arme und schärfte seinen Blick. »Ver¬schwinde!«
Vlado tätschelte den Katzenkopf. »Braves Kätzchen.« Dann ging er weiter und trottete an den Ständen vorbei. Handgeknüpfte Teppiche, Geschirr, Steinschmuck – es interessierte ihn nicht. Längst war er in Gedanken bei Alena und hoffte, dass er sie überraschen konnte. Er lehnte sich gegen eine Parkbank und träumte sich fort.
Sie stand auf einer gemähten Wiese, hinter sich eine Hügellandschaft. Plötzlich kämpfte sich vor ihr ein Holzstück aus dem Gras und drückte sich mit den Ästen aus der Erde. Wie aus einem hölzernen Mantel schlüpfte eine gesichtslose Katze aus dem Scheit und streichelte um Alenas Beine. Zwei grüne Tränen tropften von Alenas Wangen und der Katze vor die Pfoten. Das Holztier suchte den Boden ab, hielt still und drückte den Kopf nach unten. Mit grün schimmernden Glasaugen erhob sie ihn und zwinkerte Vlado zu. Alena ging in die Knie und streichelte die Katze, die der hölzernen Figur des Vietnamesen bis ins kleinste Detail glich.
Der Händler verhielt sich reserviert, als Vlado ihm 400 Kronen ent-gegenstreckte. »Das reicht nicht.«
»So war es ausgemacht.«
Der Graubärtige rieb sich die Stirn. »Oh. Ich nix erinnern. Ich alter Mann, du verstehen?«
»Reiz mich nicht«, murrte Vlado und zog weitere 100 Kronen aus dem Geldbündel.
»Ich zwar alte Mann. Aber ich lernen schnell von Kunden«, gab der Händler zurück, während er angestrengt die 500 Kronen beäugte, die ihm Vlado anbot. »Holzkatze aber kosten 800 Kronen.«
»Willst du mich verarschen?«, zischte Vlado und zerdrückte das Geld in der Hand.
Der Händler stützte sich auf die Ablage und setzte sein breitestes Grinsen auf. »Ich nix verarschen, ich armer Händler.«
Vlado warf ihm die zerknitterten Kronen gegen die Brust, packte die Katzenstatue und ging ohne weiteren Blickkontakt.
Er saß in seinem Büro vor dem Schreibtisch und wählte zum wieder¬holten Male Alenas Nummer. Immer noch belegt. Unsanft ließ er den Hörer auf die Gabel fallen. Er drückte sich gegen die Stuhllehne und sah zum Fenster hinaus. Grauer Abendhimmel. Der Wind drängte Wolken über die roten Häusergiebel, peitschte sie das Firmament entlang. Eine Schar Krähen schwang sich ihnen nach.
Vlado nahm einen Bleistift zur Hand, tippte auf den Zettel mit der Nummer und malte dem Strichmännchen einen dicken Bauch. Er nahm den Hörer und drückte die Wiederwahltaste. Belegt. Vlado presste den Bleistift auf das Papier, bis die Minenspitze
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