Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
drehte sich um, wandte ihr Gesicht auf seine Seite, ohne die Augen zu öffnen, und schlief weiter. Er wälzte sich auf den Bauch und schob das Kissen unter sein Kinn. Oft lag er so da, lange bevor sie erwachte, und konnte sich an diesem Gesicht nicht sattsehen.
Sie ließ sich öfter dazu überreden, bei ihm zu übernachten, nie aber, mit ihm das Bett zu teilen. Er sah zu dem Kleiderschrank, in dessen Tür ein Spiegel eingelassen war. Nachdenklich betrachtete er sich, fuhr sich durch das dichte Haar und strich über sein kräftiges Kinn. Einzig die von Schlägen gekrümmte Nase störte das Ideal. Egal, ich gefalle ihr, dachte er. Ganz sicher. Gestern hatte es fast geklappt. Wäre dieser ver¬dammte Lockenkopf nicht aufgekreuzt.
Sie hatte im Park auf seinem Schoß gesessen und den Kopf an seine Schulter gelehnt. Er fühlte ihren Atem auf der Wange und drückte sie an sich. Ignorierte zaghafte Widerstände und küsste sie.
Doch nachdem sie von dem Trottel gestört worden waren, stand sie auf und wollte spazieren gehen. In Gedanken jagte er dem Lockenkopf nach und stieß ihn zu Boden, und sie drängte er, sich ihm erneut hinzugeben. So hungrig ihn dieser Kuss gemacht hatte, so unbefriedigt ließ er ihn zurück.
Er rieb sich die Stirn und dachte nach, wie er sie endlich für sich gewinnen könnte. Vielleicht hatte Petr eine Idee. Ganz sicher hatte Petr eine Idee! Der war ganz versessen darauf, ihm einen Gefallen zu tun. Vlado musste schmunzeln. Mit seinem Haferlschnitt und dem Bauchan¬satz erinnerte Petr ihn an einen Mops, der gern blödelte. Als Vlado ihm erzählt hatte, dass Alenas Vater ertrunken war und Alena ihre Mutter Tage später erhängt in der Garage fand, hatte Petr ein Sprungseil aus Vlados Trainingstasche gezogen und diese Szene imitiert. Witzbold halt.
Welches Bild sich in Alenas Erinnerung gebrannt haben mochte?
»Mama? Mama?« Die Zwölfjährige zog das Garagentor auf. »Ma…« und starrte auf ihre Mutter, die mit einem Strick um den Hals über einem umgekippten Fahrrad baumelte. Das Gesicht blau angelaufen, eine Fliege krabbelte aus ihrem Mund. Die Jeans waren an den Schen¬kelinnenseiten dunkelnass, der Urin tropfte auf einen Fahrradreifen.
Vlado schüttelte es. Er schob die Decke beiseite, stand auf und zog sich leise an. Er wollte zum Bäcker gehen und Alena mit Apfeltaschen, Brötchen und frischem Kaffee überraschen. Fast wäre er beim Hin-ausgehen über ihre Stoffpumps gestolpert. Mit einem Blick vergewis¬serte er sich, dass sie von dem Geräusch nicht wach geworden war und schlich aus dem Zimmer.
Nur wenige Minuten brauchte er zum Brötchenholen. Er legte die Tüte auf dem Esstisch ab und horchte an der Schlafzimmertür. Stille. Er ging zurück in die Küche, setzte Kaffee auf und deckte den Tisch. Er hatte für Alena die Brötchen mit den Kürbiskernen einpacken lassen. Nach dem Frühstück kuscheln wir noch ein wenig, dachte er und eilte ins Bad, um seine Zähne zu putzen und sich mit etwas Hugo Boss einzunebeln.
Als er fertig war, machte er sich auf den Weg zu Alena. Mit einem Kuss würde er sie wecken. Er zog die Tür langsam auf, ihre Stoffpumps waren nicht mehr da. War sie etwa abgehauen? Er sah zum Bett, es war leer, die Decke hing halb zu Boden. Vielleicht saß sie auf der Toilette.
»Alena?«, rief er und horchte. Der Kaffee gurgelte durch den Filter. »Alena?« Keine Reaktion.
»Geduld musst du mit ihr haben«, zischte er leise vor sich hin, mit zerknirschter Miene und einer geballten Faust. »Geduld!«
Vielleicht hatte sie ihm eine Nachricht dagelassen. Nachdem er ver-geblich das Schlafzimmer abgesucht hatte, warf er sich auf das Bett, presste sein Gesicht tief in das Kissen und roch gierig an dem Stoff, der so herrlich nach ihrem Haar duftete.
»Die macht mich noch wahnsinnig!« Vlado sog noch einmal Alenas Duft in sich ein, dann stand er auf. Er würde sich mit Petr berat¬schlagen.
Im Büro durchblätterte er das Telefonbuch nach Petrs Nummer. »Pension Kuklov«, das musste es sein.
»Petr? Bist du dran? Vlado hier.« Im Hintergrund waren Hammer¬schläge und Bohrmaschinendröhnen zu hören.
»Hey! Ich bin überrascht! Freut mich, dass …«
»Was ist denn das für ein Krach bei dir?«
»Bei uns wird ein Fremdenzimmer renoviert.«
»Warum ich anrufe: Du musst …« Vlado schilderte sein Problem mit Alena. »Hast du einen Tipp, wie ich sie für mich gewinnen kann?« Er winkte die Vorschläge mit flapsigen Kommentaren ab »… hast du keine bessere
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