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Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)

Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)

Titel: Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan M. Fischer
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Fotos aus der Zeit in Spanien und von dem Segeltörn auf dem Atlantik.
    Er legte sich eine Armbanduhr um und dachte, dass sich ein Vierer-Decken-Spot gut machen würde, dort, wo eine Glühbirne nackt von der Decke hing. Er zog ein kariertes Hemd und eine Jeans aus einem der Kartons, suchte nach seinen Malwerkzeugen und verstaute die Feder bei sich.
    Ondrej trat aus seiner Zweizimmerwohnung, rückte die buchene Feldstaffelei am Rücken bequem und packte den Holzkoffer mit den Mal- und Zeichenutensilien.
    Ein einstündiger Spaziergang lag zwischen ihm und dem Ort, an dem er so gern malte – ein Hochplateau, unweit der nördlichen Stadtgrenze.
    Warum er gerade jetzt an die Nachbarin seiner Eltern dachte, wusste er nicht. »Du bist aber groß geworden. Und wie braun gebrannt du bist. Wie war dein Studium? Und wie sind die Frauen in Spanien? Sind die so heißblütig, wie es immer heißt? Und warum ist dein Haar so strohig? Warst du wieder segeln?« Auf dieses Geschnatter hatte er keine Lust, und er war froh, dass sie ihm um diese Uhrzeit sicher nicht über den Weg laufen würde.
    Smutkov war in der Nacht nichts anderes als eine rissige Gesteins-landschaft. Im Morgengrauen wirkten die Gebäudemauern wie Fels-wände, die Gassen wie Schluchten. Doch gemessen an Universums-maßstäben war Smutkov weniger als ein Staubkörnchen, so Ondrejs Einschätzung, und er selbst eine Bakterie.
    Der Himmel ähnelte einem dunkelblauen Teppich, in den man zahllose Sterne eingenäht hatte. Ondrej stellte sich Gott vor, wie er durch den Kosmos schlurfte, übermüdet und laut gähnend. Der Herr stolperte prompt über die Erde wie über einen Stein und klatschte bäuchlings auf. Sterne wirbelten wie Staub umher.
    Ondrej ließ das Städtchen und die Brucknerwiese mit dem Fels¬brocken hinter sich und blieb vor der Holzhütte des alten Zdenek stehen. Die Fenster waren mit Brettern zugenagelt, im Dach klafften Löcher und im Garten wucherte das Unkraut. Ondrej fragte sich, ob der alte Mann ins Altenheim gezogen war oder nicht mehr lebte, und spazierte weiter. Bald hatte er das Plateau erreicht. Er ging zu einer der beiden Fichten, die die Holzbank flankierten, und klopfte gegen die Rinde. »Na? Habt ihr mich vermisst?«
    Granitsteine umfassten den Rasen, ein kleines Schild warnte vor dem Abhang. Ondrej nahm die Feldstaffelei vom Rücken, stellte den Holz-koffer ab und trat zum Geländer. Er zog die Feder aus dem Hemds¬ärmel, streichelte über den Flaum und ließ sie fallen. Sie schaukelte in die Tiefe, streifte ab und an die Felswand und wurde von einem Baum¬wipfel geschluckt.
    In der Ferne bohrte ein Berg seine schneeweiße Spitze in den Him¬mel, davor wellten sich die Hügel und glitzerte ein Gebirgssee. Dörfer lagen verstreut in den Tälern, Kirchturmspitzen ragten daraus empor. Wie sehr hatte er diesen Ausblick vermisst.
    Bald würde die Sonne auftauchen und das Morgengrau vom Land schwemmen. Er stieß sich ab und machte sich an das Bild, zu dem ihn die Feder inspiriert hatte.
    »Es war einmal ein Bergadler.« Ondrej tippte den Pinsel in die goldene Farbe und zog die letzten Striche seines Werkes. »Erhaben und elegant schwebte er über den Wäldern. Die Tiere würdigten ihn als den König des Erzgebirges. Das erfüllte den Bergadler mit Stolz und Lebenslust.
    Eines Tages zog er über einem Fichtenwald seine Kreise und erspähte etwas Goldenes weit unter sich. Was da wohl so herrlich schimmern mochte? Er segelte hinab und entdeckte eine goldene Feder, verloren in einem Baumstumpfritz.
    Das wertet meine Schönheit auf, dachte der Bergadler und stach die Feder mit dem Schnabel in seinen rechten Flügel.
    Er stieg fortan in höhere Lüfte auf und fühlte sich mächtiger denn je. Schon bald erlangte er Berühmtheit, die weit über sein Revier hinaus-reichte. Überall stellte er sich zur Schau und gierte nach Aufmerk-samkeit. Doch mehr und mehr fiel ihm auf, dass diese nicht ihm, son¬dern der goldenen Feder galt.
    Die schlauen Füchse munkelten, dass der Phoenix Gennadij die gol¬dene Feder verloren hatte, jenes Fabelwesen, das, so war es von den Bären zu hören, die Welt zwischen dem Diesseits und dem Jenseits bewohnte. Pfauen erzählten sich, dass das schwarze Federkleid jenes geheimnisumwitterten Vogels golden umrandet war und seine Augen die Farben des Regenbogens trugen.
    Der Bergadler fühlte sich daraufhin als der unbedeutende Bote einer Legende. Niemand beachtete seinen wohlgeformten Schnabel, die eleganten Flügelschläge und auch

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