Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
sich von Petr und rieb sich die Stirn.
»Hat sie der Vater missbraucht?«
»Kann ich kurz telefonieren?«
Petr setzte sich, während Magdalena im Flur stand, und er hoffte, dass alles gut ging. Kurze Zeit später kam sie wieder in die Küche. »Sie ist nicht daheim.«
Sie kniff die Augen zusammen und dachte nach, dann sah sie Petr kritisch an. »Wenn du es wirklich ernst mit mir meinst, dann kannst du mir das jetzt beweisen. Ich erzähle dir von Alenas Kindheit. Und du gehst anschließend zu Vlado und überzeugst ihn, dass er sich Alena aus dem Kopf schlagen soll.«
Petr borgte sich den Mercedes und brachte Magdalena nach Hause. »Bis nachher«, meinte er.
Sie drückte sich zu ihm auf die Fahrerseite und küsste ihn. »Lass dir von Vlado ja nichts bieten.«
»Ich verhau ihn, wenn es nötig ist.« Petr lachte verhalten.
Sie knuffte in seine Seite. »Ich verlasse mich auf dich.« Dann stieg sie aus dem Auto und blieb am Gehsteig stehen.
Er legte den Gang ein, der Motor erstarb. »Na, das kann ja heiter werden«, murmelte er, startete den Wagen erneut und machte sich auf den Weg zu Vlado. Liebesbeweis für Magdalena.
***
Ondrej schob die Stühle unter den Tisch. Braune Flecken waren auf dem Stoffbezug zurückgeblieben. Die Tassen standen gespült im Regal, das Schneideskalpell hatte er weggeräumt, den Boden gewischt, die Palmlilie in den Abfall geworfen. Das Blatt mit Vlados Roulettetisch nahm er aber nicht von der Zeichenstaffelei. Er sah auf seine Arm¬banduhr. Es war drei Minuten vor neun. Er musste sich ablenken, die Gedanken an Alena zerbröseln und schnäuzte sich die Nase. Da ging sie im Licht der Straßenlampe an der Fensterfront entlang, ohne einen Blick ins Atelier zu werfen. Sie trug eine weiße Blusenjacke, darunter ein rotes Bandeau. Ihr Halstuch wehte gegen das Handtäschchen, das sie über der Schulter hängen hatte. War das ein Kissen in ihrer Hand? Sie verschwand aus seinem Blickfeld. Wenige Sekunden noch, dann würde sie vor ihm stehen. Er steckte das Taschentuch in die Hosentasche. Noch einmal kräftig durchatmen und schnell die Kaffeetassen im Schrank sortieren, sich mit einer sinnlosen Aufgabe beschäftigen. Gestern, nach dem Parkspaziergang, hatte er es kaum erwarten können, sie wieder zu sehen. Jetzt wäre er froh, hätte er dieses letzte Treffen schon hinter sich gebracht.
Als er die Tür hörte, sah er sich um und warf ihr einen bösen Blick zu.
»Hallo Ondrej.« Sie drückte das Kissen gegen ihren Bauch, ihr Lächeln verlor sich.
»Hallo«, murrte er, widmete sich wieder den Tassen und brachte die Henkel in gleiche Ausrichtung.
»Ondrej? Stimmt was nicht?«
»Alles bestens.« Er machte die Schranktür zu, stützte sich auf dem Rand der Spüle ab und konzentrierte sich auf einen Teelöffel, der zwischen den Schaumresten lag.
»Ich hab etwas für dich.«
»Interessiert mich nicht.« Es tat ihm leid, dass er sie anfauchen musste, aber er wollte sie seine Wut spüren lassen, wollte sich nicht verstellen.
Sekunden verstrichen. Jetzt schweigt sie, typisch, dachte Ondrej. Aber nun wusste er ja, warum sie nie etwas von sich erzählt hatte. Immer schön die Fassade aufrechterhalten.
Der Schaum zerfiel, ohne dass ein Wort gesprochen wurde. Das könnte er für sie malen: Eine eingestürzte Mauer, und um einen herum¬liegenden Ziegelstein liegt die abgetrennte Zunge einer Schlange.
»Spielst du gern Roulette?« Er drehte sich zu ihr um. Sie hielt den Kopf gesenkt, sah auf. Täuschte er sich oder schimmerten Tränen in ihren Augen? Die üblichen Spielchen.
»Was meinst du?«
»Vergiss es.«
Sie hielt ihm das Kissen entgegen. Es war aufwendig bestickt. »Das ist für deine Mama. Du hast mir mal erzählt, dass sie solche Sachen sammelt.«
Wie er sich darüber gefreut hätte zu anderen Zeiten. Er musste hier raus. Schließlich würde Vlado aufkreuzen, sobald er aus Prag zurück-gekehrt war.
Warum diese Lügerei? Er stieß sich von der Küchenzeile ab, packte das Kissen ohne ein Wort des Dankes und ging mit festen Schritten aus dem Atelier.
Ondrej führte sie aus der beleuchteten Stadt und im Mondlichtdunkel über die Brücknerwiese am Weizenfeld entlang Richtung Bahndamm. Sie spazierten nebeneinander her, ohne zu sprechen. Er hoffte, dass er unterwegs den Menschenhass loswerden würde, damit er es ohne böse Worte beenden konnte. Doch die Eindrücke der letzten Tage und die Gewissheit, dass er wieder auf jemand hereingefallen war, stachelten ihn an. Immer öfter
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