Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)
längst beenden wollte, so ihr Erklärungsversuch. Sie empfand nichts für ihn, benutzte ihn, um Ruhe vor den anderen zu haben.
»Du, Ondrej, bist mir wichtig. Bei dir ist alles so anders, schöner. Da lerne ich neue Seiten an mir kennen.«
»Deine alten Seiten sind dir wohl zu …« Er führte den Satz nicht weiter aus, wollte nicht demütigend werden. Dennoch wollte er sich kein zweites Mal für dumm verkaufen lassen.
Sie wollte sich nach dem Kissen bücken, er trat darauf. »Lass das liegen.«
»Du glaubst mir nicht«, murmelte sie und hielt die Augen mit der Hand bedeckt, vielleicht aus Scham.
»Ich glaub dir kein Stück. Weil du so dermaßen verlogen bist, dass es mich schüttelt.« Er trat einen Schritt zurück, und wie auf dem Kissen hatte er wohl einen Fußabdruck auf ihrer Seele hinterlassen, das war ihr anzusehen. Es tat ihm nicht einmal mehr leid. Diesem unsäglichen Theater musste ein Ende gesetzt werden und so erzählte er ihr, was er von Vlado erfahren hatte und dass sie ihre Mutter für tot erklärt hatte, obwohl diese quicklebendig in Viska wohnte.
»Für mich ist sie tot … ist sie tot …«, stammelte sie und hielt sich den Bauch, als lägen seine Worte unverdaulich in ihrem Magen.
»Du hast deinen Papa ins Bett gelockt«, warf er ihr vor. »Das ist doch krank!«
Die Tränenspuren auf ihren Wangen schimmerten im Mondlicht. »Das sind die Lügen meiner Mutter.«
»Hast du nicht einmal jetzt die Größe, aufrichtig und ehrlich zu sein?«
»Ich habe meinen Papa nicht verführt. Ich habe ihn nicht verführt.«
»Mach doch, was du willst.« Er stampfte an ihr vorbei, wollte sie einfach stehen lassen und war schon einige Meter weit entfernt, als er sie seinen Namen flüstern hörte.
»Was willst du noch?«
»Willst du wissen, warum ich das mache?«
»Ich habe definitiv keine Lust mehr auf irgendeine Lügengeschichte.«
Sie atmete hörbar durch und sagte dann: »Ich schwöre dir auf alles, was mir heilig ist, dass ich dir die Wahrheit erzählen werde.«
»Da bin ich aber gespannt.« Ondrej kehrte zurück und blieb vor ihr stehen, die Arme hielt er verschränkt. »Ich höre.«
***
Milan stand mit dem Rücken zu Alena am Fenster ihres Kinderzimmers. Er hielt seinen Arm vor die Augen und begann zu zählen. Sie wandte sich um, da entdeckte sie auf dem Dielenboden ihr selbst gemaltes Werk. Es sollte sie mit ihren acht Jahren zeigen, Hand in Hand mit Milan. Sie hatte es gegen das eingerahmte Foto auf dem Nachttisch gelehnt, und es war wohl heruntergefallen. Zum Aufheben war jetzt keine Zeit.
»Aber nicht schummeln!«
»… fünf … sechs …«
Sie eilte aus dem Zimmer und wäre fast auf Milans T-Shirt aus¬gerutscht. Auf dem Flur schimmerten nasse Fußtapsen, die Badtür stand einen Spalt weit offen. Alena würde sich nachher darum kümmern, jetzt war Verstecken angesagt. In der Küche standen die Stühle quer zum Tisch. Alena rückte sich so geräuschlos wie möglich den Weg zur Speisekammer frei, hörte Milan »Ich komme!« rufen und zog die Tür hinter sich zu. Stockdunkel war es, aber Alena hatte keine Furcht. Sie strich sich durch das handtuchtrockene Haar und lauschte.
Nach wenigen Minuten hörte sie die Küchentür knarren. Stühle wurden verrückt.
»Alena, ich finde dich, ich finde dich«, schnaubte eine dunkle Stimme. Etwas polterte gegen die Schränke. »Gleich hab ich dich, dann fresse ich dich«, grollte die Stimme, näher kommend.
Alena knitterte mit den Fingern das Nachthemd, als sie das Kratzen und Grollen am Holzrahmen hörte. Ein Werwolf! Seit sie sich einmal im Wohnzimmer versteckt und in einem Film gesehen hatte, wie ein Mann sich in ein solches Ungeheuer verwandelte, verfolgte sie dieses Bild.
Bestimmt hat mich die Bestie gerochen, dachte sie. Ihre Zähne klapperten, da wurde die Tür aufgerissen. Sie schrie!
Es war nur Milan, Gott sei Dank.
»Ruhe jetzt!«, rief die Mutter aus dem Wohnzimmer. »Sonst setzt es was!«
Alena kicherte hinter vorgehaltener Hand.
Milan hob die Schultern und legte den Kopf schief. »Du weißt, dass Mama das nicht mag.«
Sie sprang in seine Arme: »Spielen wir noch mal? Bitte! Bitte!«
»Ist doch schon so spät.« Er strich ihr die schwarzen Haare aus dem Gesicht. »Morgen spielen wir wieder, ja?«
»Na gut«, seufzte sie und legte den Kopf auf seine Schulter. »Ich hab dich lieb, Milan.«
»Ich dich auch, Prinzessin. Und wenn du ganz artig bist«, raunte er verhalten gepresst in ihr Ohr, »werde ich dir ein neues Spiel
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