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Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)

Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)

Titel: Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan M. Fischer
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fragen?
    Er hörte, wie sie weinte. Vielleicht würde er nachhaken, wenn sie sich beruhigt hatte. Bestimmt gab es auch dafür eine Erklärung, an eine Lolita-Situation glaubte er nicht mehr. Er sah sich nach dem Kissen um. Am Rande des Waldschattens knickte es einen Löwenzahn um.
    Alenas Geschenk für seine Mutter, wie achtlos er damit umgegangen war. Er eilte hin, hob es auf und strich die Grashalme von der Verzierung. Wie unrecht er Alena getan hatte. Er musste es wiedergut¬machen, irgendwie.
    »Es tut mir leid«, murmelte er.
    Der Wind frischte auf, im Wald knackte ein Ast, rauschten die Baum-kronen, nach und nach verschleierten Wolken den Mond. Aus der Ferne rollte ein Zug heran. Ondrej nahm kein Schluchzen mehr wahr.
    »Alena, ich muss dich noch was fragen.« Er wartete darauf, dass sie nachhakte, und als er nichts hörte, sah er zur Seite, spähte aus den Augenwinkeln nach ihr. Der Lichtstrahl der nahenden Lokomotive kämpfte sich durch die Dunkelheit.
    »Alena?« Er drehte sich um, und als er sie entdeckte, fiel ihm vor Schreck das Kissen aus der Hand. Sie ging auf den Schienen.
    »Alena!«, schrie er, so laut er konnte und rannte los. »Alena! Nicht!« Doch er verlor den Halt auf dem glitschigen Boden, schlingerte und schlug so hart auf der Wiese auf, dass Punkte vor seinen Augen tanzten.
     
    ***
     
    Alena stieß sich den Zeh an einer Holzschwelle und geriet ins Stolpern. Gerade noch fing sie sich. Das Handtäschchen war ihr von der Schulter gerutscht. Sie warf es neben die Schienen, zupfte ihr rotes Bandeau zurecht und knöpfte die Blusenjacke zu.
    Ich hätte schreien sollen, dann wäre Papa noch am Leben. Alles meine Schuld, dachte Alena und bemerkte eine weiße Plastiktüte, die sich in einigen Metern Entfernung im Gleis verfangen hatte. Ein immer größer werdender Lichtpunkt kam auf sie zu, und Magdalena kam ihr in den Sinn, wie sie eine Schnute zog und mit einer Haarsträhne die Nasenspitze kitzelte. Dann musste Alena an Babischka denken, an die Feier und den leckeren Gemüsesalat, den sie gestern nur halb und vorhin fertig gegessen hatte.
    »Alena!«, rief Ondrej hinter ihr. Sie schloss für einen Moment die Augen und hatte ihn vor sich. Seinen nachdenklichen Blick, wenn er vor der Zeichenstaffelei stand, mit dem Pinsel gegen sein Kinn klopfte. Bald würde er ein berühmter Maler sein, dessen war sie sich sicher.
    Der Lichtpunkt war zu einer kleinen Sonne angewachsen. Eine Sonne mit quietschendem Schrei. Das Zittern der Gleise griff auf Alena über. Um die Angst zu vertreiben, summte sie das Lied, das Magdalena sang, wenn sie glücklich war.
    Alena breitete die Arme aus und erinnerte sich an die erste Begegnung mit Ondrej, vor Wochen im Park, an das Kartenspiel ohne Könige, an den Jungen, der das Bild ausrollte und an das Geheimnis.
    »Schachmatt«, flüsterte sie dem Zug entgegen.
     
    ***
     
    Nur wenige Sekunden noch, dann würde Alena in Stücke gerissen werden. Ondrej sah es vor sich: Alena schleudert auf die Gleise, die Räder trennen ihr die Arme ab, ihr Körper zerfetzt.
    »Alena!«, rief er und drückte sich mit den Händen hoch. »Alena!« Ihr Name kratzte in seiner Kehle.
    Sie reagierte nicht, stand wie in Stein gegossen mit ausgebreiteten Armen auf dem Gleis. Er raffte sich auf die Beine und rannte, so schnell er konnte.
    Unzählige Waggons trieben die schrillende Lok auf Alena zu, trotz blockierender Räder. Ein Gefühl sagte Ondrej, dass sie nicht mehr zu retten war, doch er wollte es versuchen. Sollte es ihn doch gleich mit erwischen, es war ihm egal. Mit einem Satz sprang er auf den Schotter, der Zug zerriss eine Plastiktüte, wenige Holzschwellen vor Alena. Sie wandte sich nach Ondrej um, sah ihn erschrocken an, wollte etwas sagen. Scheinwerferlicht blendete ihn. Er stürzte sich auf Alena, erwischte sie am Arm und riss sie mit auf die andere Seite. Die Lok schnappte ins Leere und jagte vorbei.
    Sie stolperten, fielen den Schotter hinab und kamen auf der Wiese zum Liegen. Nässe drang durch Ondrejs Pullover, kühlte seine Haut. Er sah die Waggons vorüberrauschen, in einem Abteil flackerte das Licht. Umrisse von Fahrgästen waren zu sehen, manche hatten das Gesicht ans Fenster gedrückt.
    Der Zug glitt vorüber und mit ihm schrumpften die Rücklichter ins Dunkel. Weiße Plastikfetzen strichen neben dem Gleis an Alenas Handtasche vorbei, der Wind trieb sie fort. Ondrej wischte sich mit dem Arm übers Gesicht und atmete kräftig durch. »Hast du den Zug nicht gesehen?«
    Ihr

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