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Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)

Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition)

Titel: Sonder-Edition - drei Romane (Das Mondgeheimnis, Die Gestoßenen, Den Teufel am Hals) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan M. Fischer
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sie gegen den Balken. Einige angebrochene Dachbalken flogen davon. Durch die Lücke machte Alena die Lok aus, die zahlreiche Waggons in die Tiefe riss. Die Schienen mündeten in ein Meer aus blendend weißem Licht. Sie fühlte ein Stückchen Himmel im Herzen. So ähnlich hatte es sich angefühlt, wenn sie mit Ondrej zusammen gewesen war.
    »Papa?«
    »Hm?«
    »Mir fehlt Ondrej.«
     
    ***
     
    »... hat sie mehrfach angedeutet, dass sie nicht mehr leben möchte …« Ondrej klappte den Roman zu und legte ihn auf das Nachtkästchen. War es bei Alena ähnlich? Wollte auch sie nicht mehr zurück in dieses Leben?
    Eine Amsel hopste an der Fensterbank entlang.
    »Alena? Sieh doch nur, da will dir jemand einen Besuch abstatten.« Bevor er wieder in Tränen ausbrechen würde, schnappte er sich das Stoffküken und tippelte damit auf der Bettdecke. »Hallo du da! Ich bin der Gustav und erst vor ein paar Tagen geschlüpft. Du musst wieder wach werden. Wenn der Onkel Ondrej dich malt, will ich auf deinem Schoß liegen oder auf deiner Schulter sitzen. Und ich möchte ganz viele …« Ondrejs Tränen erstickten die Worte.
    Beten Sie, junger Mann. Beten Sie für Ihre Freundin!
    Ach, was helfen schon Gebete, dachte Ondrej und drückte das Küken in der Faust zusammen. Doch die Stimme des Doktors gab keine Ruhe.
    Beten Sie! Für ihre Freundin! Beten Sie!
    Ondrej sah hoch zum Kreuz, dann legte er das Küken auf der Bettdecke ab und faltete die Hände.
    »Lieber Papa im Himmel, mir fehlen ein wenig die Worte. Du weißt ohnehin, wie es in meinem Herzen aussieht und worum ich Dich bitten möchte. Das Mädchen hier hatte bisher kein schönes Leben, ist von vielen dunklen Gedanken gemartert worden. Ich kann mir gut vor¬stellen, dass sie den Menschen gegenüber misstrauisch war, dass sie Dir, Herr, nicht wirklich begegnet ist. Vielleicht möchtest Du sie zu Dir holen, dann wäre alles gut, dennoch würde ich Dich bitten, mir ein bisschen Zeit mit ihr zu schenken. Ich will ihr die schönen Seiten des Lebens zeigen, ich will …«
    Ondrej wischte sich mit den Handballen die Tränen aus den Augen und faltete die Hände wieder zum Gebet. »… ich will mit ihr die Welt entdecken, Herr, ich will ihr Liebe schenken und die Chance haben, mich dafür zu entschuldigen, was ich ihr alles an den Kopf geworfen und dass ich in ihr einen schlechten Menschen vermutet habe. Es tut mir so leid, Herr, so leid, bitte hilf mir!«
     
    ***
     
    Der König des Lichts sah auf das Stückchen Sonne vor seinen Füßen, sah den Weg entlang, den Alena gegangen war. Wie Perlen schimmerten Lichtpunkte auf dem schwarzen Sud, der ihre Fußabdrücke geflutet hatte. Plötzlich konnte der König die Hitze des Sonnenstückchens durch seine Sandalen an den Zehen spüren, und eine Kraft drängte ihn, es aufzuheben. Er zupfte an dem Kinnbart, dann bückte er sich nach dem Stückchen Sonne und warf es hoch in die Luft. Es zerstob in Abertausende funkelnder Kristallsplitter. Zum Vorschein kam der Phönix Gennadij und der König nickte ihm zu. »Du weißt, was du zu tun hast.«
    Mit seinen mächtigen Schwingen drehte der Phönix ab, flog Alena nach, mit der Schnelligkeit eines Gedankens.
    Die Lok hatte die Brandung erreicht. Papa fasste Alenas Hand.
    »Hab keine Angst, Alena.«
    »Ich will zu Ondrej! Ich spüre es, ganz deutlich.«
    Ein Zittern ging durch sie, als die Lok ins Lichtwasser raste und verglühte. Da erschien ein großer Schatten über ihnen. Gennadij.
    »Papa, ich muss gehen!«
    Der Vater ließ ihre Hand los. »Ich weiß, mein Liebes.«
    »Behalte mich im Auge, Papa.«
    »Das werde ich.«
    Die Hälfte der Waggons war bereits ins Licht getaucht.
    Noch einmal blickten sie sich an und Alena fiel auf, dass von den Tränengräben auf seinen Wangen nichts mehr zu sehen war, nicht einmal ein Sorgenfältchen. Er lächelte und zwinkerte ihr zu, dann hangelte sie sich von einem Balken zum nächsten und sprang aus der klaffenden Lücke. Gennadijs Klauen ergriffen sie an dem Leinenumhang, bevor sie auf dem Hang aufschlagen konnte und sie sah noch, wie der Waggon mit Papa im Meerlicht verglühte.
    Nachdem sie das innere Auge geschlossen hatte, sah sie ein Stoffküken auf der grünen Bettdecke. Und sie nahm Ondrej wahr, der vor ihr am Krankenbett saß und die tränennassen Hände zum Gebet gefaltet hielt.

Fortsetzung ‚Die Gestoßenen‘
     
    Schränke aus Teakholz, edle Schlangen, die von Zauberkraft gezähmt von den hohen Decken hingen und mit Leuchtsteinen im Maul die Räume

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