Sonderauftrag
hängenden Schultern stieg er die Treppe bis in den dritten Stock hinauf. Er fühlte sich alt und ausgebrannt.
Er würde sich, so sein Vorsatz, hinter seinem Schreibtisch verschanzen. Doch es sollte anders kommen.
Als er die Tür zum Büro öffnete, saß Vollert am Schreibtisch und schaute ihm neugierig entgegen.
»Und?«
»Frag nicht!« Kröger winkte ärgerlich ab und ließ sich auf seinen Bürostuhl fallen.
»Na gut! Kaffee?«
»Wenn du einen Whiskey hättest, nach dem wäre mir jetzt eher als nach Kaffee.«
Vollert stutzte. »Oh, dann war es heftig!«
Krögers Antwort ging im Klingeln des Telefons unter. Missmutig nahm er ab. Das Gespräch war kurz. Als er auflegte, war eine Veränderung mit ihm vorgegangen. Er straffte sich, rieb die Hände aneinander und informierte Vollert: »Sie haben unseren Unbekannten, den mit dem roten Hemd und dem kleinen Hund. Eine Streife hat ihn aufgegriffen und sie bringen ihn her.«
»Na, da haben unsere Streifenhörnchen ja einen Erfolg zu verzeichnen.«
»Ja, im Gegensatz zu uns!«
»Kommt noch! Kommt noch!« Vollert grinste Kröger an.
»Wieso kommt das noch?«
»Ich habe die Zeit genutzt, als du bei der Pressekonferenz warst, und ich habe eine Theorie.«
»Lass hören!«
Vollert legte Kröger seine Überlegungen dar. Am Ende seiner Ausführungen sah dieser ihn nachdenklich an.
»Du hast echt gute Arbeit geleistet. Nun verrate mir mal, wie du Vergleichsmaterial für die Haut- und Gewebeproben bekommen willst.«
»Staatsanwaltliche Anordnung! Oder meinst du, Frau Meinke macht Schwierigkeiten?«
»Wir haben nur einen Verdacht, keine Beweise! Ich habe da meine Befürchtungen, was eine staatsanwaltliche Anordnung betrifft. Wir sollten schlagkräftige Beweise haben, wenigstens Indizien.«
»Ich versuch es und dann werde ich mich mal um das Alibi kümmern.« Vollert klopfte auf seine Notizen.
»Mach, was du …« Kröger wurde von einem Klopfen an der Tür unterbrochen. Die Streife brachte den Unbekannten im roten Hemd. Ein kleiner Hund schob sich neugierig in das Dienstzimmer. Mit leicht schief gehaltenem Kopf musterte er seine Umgebung.
»Wo habt ihr ihn aufgegabelt?«
»Er schlenderte durch eine Gartensparte. Jemand vom Vorstand rief uns an, da in letzter Zeit mehrere Lauben geknackt wurden.«
»Mmh«, Kröger nickte, »habt ihr ihn erkennungsdienstlich erfasst?«
Die Streifenpolizisten schüttelten die Köpfe. »Nee, der Diensthabende meinte, sofort zu euch! Hier sein Ausweis!«
Kröger nahm den alten DDR-Personalausweis. Schmutzig und derangiert sah das Stück aus. Seufzend blätterte Kröger in dem ehemals wichtigsten Dokument jedes DDR-Bürgers. ›Torsten Wiese‹, las er und unter Wohnort fand er eine Straße im Stadtteil Knieper Nord. Überrascht starrte Kröger auf das Geburtsdatum. Nach diesem Ausweis war der Mann gerade einmal 40 Jahre alt. Kröger hätte ihm glatt zehn Jahre mehr gegeben.
»Okay, dann wollen wir mal.« Kröger musterte den Mann. Der war so groß wie er, doch seine Haltung war die eines alten Mannes. Das rote Hemd war schmutzig, ebenso die Hose und die abgelaufenen Schuhe. Die Haare schienen lange Zeit schon ungewaschen und hingen ihm wirr in die Stirn. Als er sie mit der Hand zurückstrich, sah Kröger, dass auch die Hände des Mannes vor Schmutz starrten, und registrierte dankbar, dass Vollert das Fenster geöffnet hatte.
Seine Plastiktüte fest an den schmächtigen Körper gedrückt, musterte Wiese den Raum. Vorsichtig ging er zu dem angebotenen Stuhl und setzte sich auf die vorderste Kante. Der Hund wich keinen Zentimeter von seiner Seite. Es war keine Leine, an der er geführt wurde, sondern einfach ein Stück dicker Bindfaden, dessen Ende der Mann fest in seiner rechten Hand hielt. Das andere Ende war dem Tier locker um den Hals gebunden. Der Hund schaute zu seinem Herrchen und ließ sich dann neben dem Stuhl nieder. Kröger, der ein wenig von Hunden verstand, glaubte, dass es sich um einen Parson Russel Terrier handelte.
Obwohl Kröger den Mann freundlich anlächelte, musterte der ihn misstrauisch. Man spürte förmlich, wie unwohl er sich fühlte.
»Sie heißen Torsten Wiese?«
Der Mann nickte.
»Sie wohnen in Knieper Nord?«
Der Mann schüttelte den Kopf.
»Sie sind obdachlos?«
Ein zaghaftes Nicken war die Antwort.
Kröger beugte sich über den Tisch. »Sie wissen, warum Sie hier sind?«
Kopfschütteln.
»Okay, Herr Wiese! Ich verstehe, dass Sie vorsichtig sind, aber wir befragen Sie als Zeugen. Verstehen Sie
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