Sonderauftrag
wieder für diese Sprache.
»Als ob du wüsst, wat die wolln!«
Nach diesem Satz würdigte er seine Frau keines Blickes mehr, schaute hingegen neugierig die Beamten an. »Mich wundert, dass Sie jetzt erst kommen.«
Erstaunt sah Kröger in das Gesicht des alten Mannes. »Warum meinen Sie, wir kommen jetzt erst?«
»Na, Sie waren doch schon beim Bürgermeister und der gab Ihnen meinen Namen. Und wenn ich mich nicht irre, waren Sie heute Vormittag bei Grugels.«
»Sie haben uns gesehen?«
»Nee!«
»Dann haben Sie mit Herrn oder Frau Grugel gesprochen oder mit jemandem, der uns dort gesehen hat?«
»Nee!« Bauer Trapp lächelte schelmisch.
»Ehrlich gesagt, ich hab das in der Nase. Den Qualm von Anton seine Stumpen kriegt man nur schwer aus den Klamotten.«
Kröger errötete leicht. »So schlimm?«
»Nu mocken Se sich nicht glicks in Hemd. Dat geit noch, öwer ick wurd das Tüs nich mehr antrecken ohne Wäsch.«
»Na, dann ok schön Dank vör den Tipp. Dat hef ick ock vör hat.«
Wohlwollend nickte der Mann, der plötzlich ins Hochdeutsch wechselte. »Aber ich glaub nicht, dass ich Ihnen was sagen kann.« Er verschränkte seine von jahrelanger schwerer Arbeit gezeichneten Hände vor dem Bauch und lehnte sich abwartend zurück.
Deutlich hörte man das Glucksen der Kaffeemaschine, in der das Wasser immer schneller durch den Filter tropfte.
»Herr Trapp, Sie lebten zu Kriegsende hier in Reedich?«
Der Bauer hielt die Hände bei der Antwort immer noch über dem Bauch verschränkt. »Ja, das stimmt!«
»Waren Sie nicht Soldat?«
»Doch, war ich.«
»Was führte dazu, dass Sie bei Kriegsende zu Hause waren? Würden Sie uns das erzählen?«
Jetzt nahm der Mann die Hände vom Körper und ließ sie langsam auf den Tisch sinken. »Ich wurde verwundet, bekam Genesungsurlaub und dann war der ganze Spuk vorbei.« Er hatte leise gesprochen, den Blick auf seine Hände gerichtet. Kröger hatte Mühe, ihn zu verstehen. Man merkte ihm an, dass er nicht gern über diese Zeit redete.
Im Hintergrund gab die Kaffeemaschine ein letztes, lautes Röcheln von sich.
»Und Ihre Frau?« Kröger schaute ihr in das faltige Gesicht.
»Meine Frau kam erst nach dem Krieg nach Reedich. Sie kommt aus Hinterpommern. Die Flucht hat sie hierher verschlagen. Die kann Ihnen nichts erzählen.«
Er stand auf und ging in das Nebenzimmer. Die Kriminalisten hörten das Quietschen einer Schranktür. Einen Augenblick später kam der Hausherr mit einer Eisenkassette in die Küche zurück. Bedächtig stellte er das alte Stück auf den Küchentisch, nachdem er seinen Teller ein Stück beiseite geschoben hatte. Genauso bedächtig schloss er die Kassette auf. Kröger und Vollert verfolgten die Zeremonie des Mannes neugierig. Nach einem Augenblick des Suchens förderte er einen Zettel zutage. »Schauen Sie selbst, Herr Kommissar.« Er reichte Kröger das vergilbte Stück Papier.
Kröger hielt einen Kriegsurlaubsschein in der Hand, ausgefertigt am 20.04.1945. Er las, dass der Schütze Otto Trapp vom 20.04.1945 bis zum 04.05.1945 vom Lazarett Schwerin beurlaubt worden war und dass er auf Kleinem Wehrmachtsfahrschein fuhr.
»Sie wurden verwundet?«
»Ja, Bauchschuss. Ich hatte viel Glück.«
Scheinbar hatte der Alte schon lange nicht mehr darüber gesprochen, denn die Worte kamen stockend aus seinem Mund. Er ergriff die Hand seiner Frau und streichelte sie zärtlich.
»Sech eins, iss de Kaffe dörch?« Seine brüchig gewordene Stimme klang wieder fester, als wolle er damit die Geister der Vergangenheit verscheuchen. Die Frau erhob sich, etwas mühsam, wie es Kröger schien. Wahrscheinlich machten die Knochen Schwierigkeiten wie bei vielen älteren Menschen, die ihr Leben lang körperlich schwer gearbeitet hatten.
Mit der Kanne in der Hand kam sie zurück an den Tisch und schenkte jedem der Männer die Tasse voll. Sie nahm sich als Letzte. Eine schüchterne Geste in Richtung der Kekse und der Satz: »So, greifen Sie zu«, das war alles, was von ihr zu hören war.
Ihr Mann hatte sich gefangen. Bedächtig nahm er von dem Gebäck. Genauso ruhig maß er genau einen Kaffeelöffel Sahne ab, gab diesen in die Tasse, rührte um und schlürfte genüsslich den ersten Schluck. Erst dann sprach er weiter.
»Dieser Urlaubsschein«, er deutete auf das Papier, »war ein Urlaubsschein in den Frieden. Ich sollte Anfang Mai wieder bei der Truppe sein, aber da gab es keine Truppe mehr. So hatte ich Glück im Unglück.«
Kröger schaute in sein Notizbuch. Er
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