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tauschen konnten. Herrliche Hartbrandklinker, kann ich Ihnen sagen!«
»Und das fiel nicht auf?« Kröger musste über Vollerts ungläubigen Blick schmunzeln.
»Nee, solange man es nicht übertrieb, nicht. Da kamen Dutzende Fuhrwerke an, um Steine zu holen. Ein Posten war viel zu wenig! Hat aber verdammt großen Spaß gemacht.« Er zwinkerte Vollert zu.
»Und vom Schloss, konnte man da auch was abzweigen?«
»Vom Schloss? Nee, da mussten wir noch was reinstecken, Zwischenwände ziehen und aus großen Räumen mehrere Wohnungen machen.«
»Hatten Sie auf dem Schloss gearbeitet, vor oder während des Krieges?« Kröger drehte bei dieser Frage die Kaffeetasse in den Händen hin und her.
»Vor dem Krieg selten und während des Krieges gar nicht. Da wurde jede Hand auf dem Acker und im Stall gebraucht.«
»Und nach dem Krieg?«
Bauer Trapp schüttelte den Kopf. »Nee, im Schloss wohnten ja gleich nach dem Krieg die Flüchtlinge. Die Herrschaft war weg, da gab es auch nichts mehr zu arbeiten.«
»Wer hat dann die Umbauarbeiten getätigt?«
»Die Flüchtlinge selbst.«
Kröger stellte vorsichtig die Tasse ab. »Wann ist denn die Herrschaft abgereist?«
»›Abgereist‹ ist gut! Genaues Datum kann ich Ihnen nicht sagen, aber als ich auf Genesungsurlaub hier ankam, waren sie noch da.« Er kratzte sich am Kopf und fuhr dann fort: »So am 22. oder 23. April müssen die sich aus dem Staub gemacht haben, Richtung Westen, zu den Amerikanern. Die hatten mächtig Schiss vor dem Russen! Hatten wir zwar auch, aber wir konnten nicht abhauen, uns hätte man an die Wand gestellt.«
Seine Frau war bei diesen Worten aufgeschreckt.
»Otto, du sollst nicht immer so reden.«
Vorwurfsvoll und ärgerlich schüttelte sie ihren Kopf.
»Ist aber wahr. Manch einer ist an die Wand gestellt worden, nur weil er nicht mehr an den Endsieg glaubte.« Er wischte sich mit der Hand über die Augen.
»Hier auch?«
»Hier? Nein!«
»Ist Wernher von Schleyersdorf mit der Herrschaft geflohen?«
»Wernher? Der war doch bei der SS, und den habe ich das letzte Mal im Frühjahr ’44 gesehen. Dann musste ich zum Barras. Ob der mit der Herrschaft geflohen ist, weiß ich nicht. Da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen.«
Der Alte nahm kopfschüttelnd einen Schluck aus seiner Kaffeetasse. Kaum hatte er die Tasse abgesetzt, kam die nächste Frage, diesmal von Vollert.
»Was waren denn die von Schleyersdorfs für Menschen?«
Bauer Trapp schaute zuerst Vollert, dann Kröger und zuletzt seine Frau an.
»Tja, was waren das für Menschen? Ehrlich gesagt, da hab ich noch nie drüber nachgedacht. Sie waren eben die Herrschaft und wir waren …«
»Knechte?«
»Nee«, er schüttelte den Kopf. »So kann man das nicht sagen. Wir hatten unser Auskommen. Da gab es Schlimmere. Der Alte passte schon auf, dass alles flutschte. Ließ aber auch mal fünfe gerade sein.«
»Und Wernher?«
»Der Wernher? Der war sein einziger Sohn und der Alte dachte, der Wernher übernimmt das Gut, aber der hat ihm was geschissen.«
»Otto!« Empört schlug seine Frau mit der flachen Hand auf den Tisch, doch Trapp ließ sich nicht beirren.
»Ja, hat er, ihm was geschissen.« Wie zum Trotz betonte er das letzte Wort. »Doch die gnädige Frau hatte einen Narren an dem Wernher gefressen und kriegte den Alten rum. So durfte der Junge studieren, aber nicht Ackerbau und Viehzucht, sondern was mit Kunst. Und dann wurde er Offizier bei den Schwarzen, bei der SS.«
»Sie sagten, er habe was mit Kunst studiert. Hatten denn die alten von Schleyersdorf viele Kunstwerke?«
»Kunstwerke? Na, so ein paar Bilder hingen da rum. Ich war ja nur ein paar Mal im Schloss und dann ausschließlich in den Dienstbotenräumen. Da habe ich nicht so viel gesehen.«
»Und nach dem Krieg?«
Die Eheleute schauten sich an und schüttelten die Köpfe. »Schöne Möbel und Geschirr waren da, aber nur wenige Tage oder Wochen. Die Russen haben viel kaputt geschlagen und manch ein Flüchtling sowie auch etliche Dorfbewohner haben das eine oder andere Stück mitgehen lassen.«
»Und sonst?«
»Sonst gibt’s nichts mehr. Als ich aus dem Lazarett kam, war im Schloss von der Herrschaft und dem Personal keiner mehr da. Köchin, Zofen, Chauffeur, alle weg. Nur der Max Fenske war noch da. Vielleicht sollten Sie den mal fragen. Der war öfter im Schloss!«
Der Alte sah den fragenden Blick von Kröger und ergänzte:
»Tja, der arbeitete als Kutscher während des Krieges. Er brauchte nicht zum Heer, wegen seines
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