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Titel: Sonderauftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. Heidenreich; T. Trczinka
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musste ein wenig blättern, bis er die richtige Stelle fand. »Sie durften am 20. April nach Hause fahren. Waren die Flüchtlinge zu diesem Zeitpunkt schon im Schloss?«
    Die Frau, die bisher still am Tisch gesessen hatte, blickte zu Kröger. »Ich glaub, da kann ich was zu sagen. Wir kamen am 27. April hier an. Das ist mein Geburtstag, deshalb weiß ich das so genau. Wir kamen nicht mehr weiter. Unser Pferd war krepiert. Viele sind weitergezogen, einige sind mit uns dageblieben. Wir waren froh, endlich ein Dach überm Kopf zu haben und ein wenig zur Ruhe zu kommen. In keinem Dorf waren wir gern gesehen. Wir waren ja die Habenichtse aus dem Osten.«
    Jetzt ergriff Bauer Trapp wieder die Hand seiner Frau und drückte sie. »Ist ja gut«, flüsterte er liebevoll.
    »Wie viele waren es denn, die mit Ihnen ankamen?«
    Die Frau überlegte einen Augenblick, bevor sie antwortete. »So ungefähr 30 waren wir. Einige ruhten sich nur ein, zwei Tage aus und zogen dann weiter, aber in den nächsten Tagen und Wochen kamen noch ein paar Familien. Es war damals ein heilloses Durcheinander.«
    »Als Sie im Schloss ankamen, gab es da etwas Besonderes? Irgendwelche Bauarbeiten im oder am Schloss?«
    Die beiden alten Leute schauten Kröger an, als wenn er nicht mehr ganz bei Verstand wäre.
    »Bauarbeiten? Wie kommen Sie denn darauf? Damals zum Kriegsende hin hat niemand etwas gebaut außer Schützengräben und Panzersperren. Da wurde nur zerstört! Mit dem Bauen, ja, da ging es erst nach dem Krieg los. Häuser und Wohnungen für die Umsiedler und Neubauern mussten her und so haben wir uns auch dieses Haus gebaut. Das war nämlich mal früher das Kutschenhaus!« Stolz schwang in seinen letzten Worten mit.
    »Ein Kutschenhaus?«, fragte Vollert interessiert.
    »Ja, wenn früher Besuch zum Schloss kam, so bei Feiern und so’n Kram, dann wurden hier die Pferdekutschen untergestellt. Nebenan war die Schmiede und dies hier war sozusagen die Kutschengarage.«
    Vollert schaute sich in der Küche um. »Da haben Sie ja mächtig viel Arbeit reingesteckt.«
    »Stimmt! Das haben wir.« Dem Mann tat es sichtlich gut, über sein Haus zu reden.
    »Wann haben Sie denn mit dem Ausbau angefangen?«
    »Frühjahr ’46 ging’s los. Das Gebäude war in gutem Zustand und groß genug war es auch. So haben wir eben beim damaligen Bürgermeister den Antrag gestellt und konnten denn auch bald loslegen.«
    »Und Baumaterial, wie sah es damit aus?«
    »Hören Sie bloß damit auf.« Er winkte ab und drehte sich zu Vollert. »Es gab ja kaum etwas. Das eine oder andere konnten wir rantauschen, weil die in der Stadt wenig zu essen hatten. Die Städter gaben für Kartoffeln und Butter so einiges her … Na ja, manch einer hat sich auch daran gesundgestoßen. Wir aber nicht!« Er hatte den letzten Satz sehr bestimmt ausgesprochen, und als er das fragende Gesicht von Kröger sah, wiederholte er: »Wir nicht! Das können Sie uns glauben!«
    Vollert stellte schnell seine nächste Frage: »Sie sagten, manches konnten Sie eintauschen, und das andere, wo nahmen Sie das her? Für so ein Haus braucht man doch einiges an Material.«
    »Nun, der eine oder andere hatte noch ein wenig rumliegen. Manches fiel einem auch so in den Schoß.« Den letzten Satz hatte der alte Mann mit einem verschmitzten Lächeln gesagt.
    »Würden Sie mir erzählen, wie das funktionierte, so … mit dem ›In-den-Schoß-Fallen‹?« Vollert lächelte.
    Der Alte rieb sich die Nase. »Na ja, kann man heute ja erzählen. Also, wir bekamen von der Kommandantur in Stralsund die Genehmigung, uns Steine vom ehemaligen Flugplatz in Parow zu holen. So mit richtigem Dokument mit Stempel und Unterschrift für ein paar 1000 Steine. Morgens also los mit Pferdefuhrwerken und uns beim Posten gemeldet. Das war ein blutjunger russischer Soldat. Der hatte aber nie eine Schule von innen gesehen. Schreiben oder Rechnen waren für den ein Fremdwort. Als wir das spitzkriegten, haben wir die Pferdewagen ordentlich vollgeladen, etwas mehr, als wir durften. Der Posten kontrollierte, wie gesagt, mit Rechnen war es nicht weit her, und dann machte er einen Haken auf dem Papier der Kommandantur. Wir sind dann hierher, haben abgeladen, den Haken wegradiert, war ja auch nur mit Bleistift gemacht, und dann ist mein Vater mit meiner Schwester noch mal hingefahren. Gleicher Posten, gleiches Dokument, gleicher Vorgang. Das Spiel haben wir dreimal gemacht. Dann hatten wir so viele Steine für den Innenausbau, dass wir sogar noch welche

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