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Problem?« Kröger hakte nach.
»Gerade heute und dann so kurzfristig.«
»Hast du was vor?«
»Auf deinen Rat hin habe ich heute Nachmittag einen Termin bei Frau Blechert.«
Schneider, der bis dahin lustlos in der Akte geblättert hatte, schreckte auf. »Bei der Fördermitteltante?«
»Ja!« Vollert winkte ärgerlich in Richtung Schneider.
»Willst du bauen?« Schneider schaute jetzt mehr als debil drein.
»Vielleicht.«
»Kannst du dir das überhaupt leisten?«
Vollert fuhr herum, schaute seinen Kollegen an, der immer noch dümmlich dreinschaute, und fauchte ärgerlich: »Was geht dich das an!«
»Entschuldige …«
»Nun ist es gut!« Kröger war aufgestanden. »Wann hast du den Termin?«
»16.30 Uhr.«
Kröger nickte. »Schaffen wir! Um 15 Uhr sollen wir beim Chef sein. Das macht anderthalb Stunden, und wenn es länger dauert, verkrümelst du dich. Wir wollen doch deinem persönlichen Glück nicht im Wege stehen. Nicht wahr, Kollege Schneider?«
Der schaute mit zusammengekniffenen Augen auf Vollert und drückte ein ›Bestimmt nicht!‹ heraus. Dann kam es schon deutlicher: »Soll ich auch am Empfang teilnehmen?«
»Nein.« Kröger schüttelte den Kopf. »Erst Aktenstudium, dann Befragung des Herrn Fenske, und jetzt los.« Er ging Richtung Tür. »Na, was ist?«
Vollert trank schnell den letzten Schluck Kaffee, nahm seine Tasse und spülte sie aus. »Ordnung muss sein, Horst.«
Kröger nickte und zeigte mit dem Kopf in Richtung Tür. Vollert beeilte sich und wenige Minuten später saßen sie im Wagen und fuhren zum Altenheim, in dem Fräulein Boder ihren Lebensabend verbrachte.
Die alte Dame wartete schon auf die beiden Kriminalisten. Sie saß im Rollstuhl, die grauen Haare zu einer Dauerwelle gelockt, die schmächtigen Arme über Kreuz in den Schoß gelegt.
Kröger schilderte ihr Anliegen, und ein Lächeln trat in das Gesicht der Frau. Ihre blauen Augen schauten klar und neugierig auf die beiden Beamten.
»Ja, das Schloss. Da hatte ich meine Schwesternstation. Ich war bis zur Rente die Gemeindeschwester. War eine schöne Zeit damals.«
»Auch in den letzten Kriegstagen?« Kröger hatte sich der ehemaligen Gemeindeschwester gegenüber auf einen Stuhl gesetzt. Vollert saß etwas abseits, aber so, dass er kein Wort verpasste.
Die Augen der Frau schienen sich einzutrüben. Das Lächeln verschwand sofort aus ihrem Gesicht. »Nein! Gott bewahre!« Sie schaute entrüstet zu Kröger.
»Wie haben Sie die letzten Kriegstage erlebt?«
»Wie fast jeder im Dorf. In Angst, Ungewissheit und mit viel Arbeit.«
»Waren Sie damals schon Gemeindeschwester?«
»Ach wo. Ich war eine junge Frau, die im letzten Kriegsjahr aus der Schule kam und durch Zufall Krankenschwester lernte.«
»Zufall?«
»Ja, ein Zufall. Erna Trapp war schuld. Hilde Fenske war damals schwer erkrankt. Gestürzt und unglücklich mit dem Kopf aufgeschlagen. Erna pflegte sie und einige der verwundeten Russen brauchten auch Pflege. Mich holte sie zu Hilfe. So kam ich zu einem Beruf, der nichts mit der Landwirtschaft zu tun hatte. Ich war die Erste aus dem Dorf, die einen anderen Weg einschlug als ihre Eltern und Großeltern.«
»War das damals etwas Besonderes?«
»Oh ja! Frauen hatten Kinder zu bekommen, den Haushalt zu führen, durften das Vieh versorgen und auf dem Acker helfen. Durch den Krieg mussten die Frauen in der Stadt mit ran. Die Männer waren an der Front! Auf dem Land aber, da herrschten noch die alten Gesetze. Solche, die manch ein Politiker heute wieder einführen möchte. Frauen an den Herd, rückwärts zur Senkung der Arbeitslosenstatistik!« Den letzten Satz hatte sie förmlich deklamiert, mit einem sehr sarkastischen Unterton in der Stimme, dabei eine der Hände zur Faust geballt und von sich gestreckt.
Kröger stellte Fragen und erhielt Antworten, die sie nicht weiterbrachten. Fräulein Boder hatte ähnliche Erfahrungen gemacht wie die anderen aus ihrem Dorf, die jene Kriegszeit miterlebt hatten. Nach gut zwei Stunden verabschiedeten sich Kröger und Vollert von der alten Frau. Alles in allem war das Ergebnis des Gespräches enttäuschend, nur Fräulein Boder war ein wenig Abwechslung zuteilgeworden.
Kröger bat Vollert, zurück zur Dienststelle zu fahren, er wollte sehen, ob das Team von Dr. Brauner schon weitergekommen war. Der empfing die Beamten mit einem Lächeln im Gesicht.
»Du strahlst ja so!« Kröger schüttelte dem Laborleiter die Hand.
»Ich hab auch allen Grund. Wir haben die Funkkladden wieder
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