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liegst du auf der Tatami.«
Kröger lachte auf. »Und du in meinem Griff. Ich würde meinen …«, er taxierte den Mediziner, »nun, Kesa Gatame, die passt!«
»Sicher, du Träumer. Aber mal was anderes, bevor dir der Ruhm zu Kopf steigt. Bis nächste Woche habe ich euren Toten rekonstruiert. Na, jedenfalls das Gesicht.«
»Ehrlich?«
»Nein! Das sage ich dir nur, um dich noch weiter aufzubauen. Damit du schön träumst in der heutigen Nacht.« Dr. Hüpenbecker schüttelte den Kopf.
»Entschuldige, aber das ist sehr überraschend. Wie machst du das?«
»Ich habe ein Modell vom Schädel gemacht und nach anatomischen Gesichtspunkten aufgebaut. Schicht für Schicht legt man auf, aber … Schau es dir selber an, wenn es fertig ist, dann verrate ich dir auch das Wie. Und jetzt muss ich los. Willst du mit? Ich lass dich zu Hause raus.«
Kröger verneinte und verabschiedete sich. Was sollte er auch daheim? Allein die vier Wände anstarren? Er ging lieber zu Fuß über die weißen Brücken nach Hause. Unterwegs kaufte er sich an einem Imbisswagen noch einen gemischten Salat. Sport und Grünzeug, wie gesund ich doch heute lebe, dachte er beim Heimschlendern.
Ein herrlicher Frühsommerabend verwöhnte die Bewohner der Hansestadt. Wie gern wäre er diesen Weg an einem so schönen Abend mit seiner Frau gegangen, doch sie weilte mit ihrer Klasse noch in Schweden. Heute war Halbzeit der Trennungswoche.
Später, in seinem trauten Heim, vor dem Einschlafen, warf er noch einen Blick auf das Foto seiner Frau.
10
Kröger und Vollert saßen mit nachdenklichen Gesichtern über ihren Notizen. Sie hatten die obligatorische Tasse Kaffee vor sich, Vollert ein Eierbrötchen in der Hand, als Schneider eintrat. Mit debilem Grinsen im Gesicht, wie Vollert fand. Schneider schmetterte ihnen ein ›Guten Morgen, die Herren!‹ entgegen und fragte, ohne eine Pause einzulegen: »Seid ihr ohne mich klargekommen?«
»Kaum.« Kröger lächelte und schüttelte, zu Vollert gewandt, unmerklich den Kopf. Dieser sah aus, als hätte er eine Kakerlake auf seinem Brötchen entdeckt.
Schneider ließ sich auf seinen Bürostuhl fallen und schwadronierte weiter: »Kinder, wenn ich euch erzähle, was ich erlebt habe, das glaubt mir kein Mensch!«
»Dann behalt es doch für dich!« Vollerts Stirn war kraus wie ein Plisseerock.
»Hä?« Schneider schaute verwundert auf seinen Kollegen.
Doch debil, durchzuckte es Vollert. Er verkniff sich aber jeden weiteren Kommentar.
»Carsten meint, wenn es so unglaublich ist, dann erzähl es uns erst gar nicht. Wir würden arge Probleme haben, was deine Glaubwürdigkeit betrifft. Übrigens, hier, mach dich schon mal mit unserem neuen Fall vertraut.«
Kröger erhob sich und spürte dabei seine Oberschenkelmuskulatur. Verfluchter Entengang, dachte er, als er Schneider die Akte vom Schloss hinüberreichte. Der warf einen flüchtigen Blick hinein und meinte: »Weiter seid ihr noch nicht? Na, wird Zeit, dass Vater euch unterstützt.« Seine Stimme hatte einen überheblichen Unterton.
Vollert hielt sich krampfhaft an seiner Kaffeetasse fest. Es sah aus, als explodierte er jeden Moment. Wütend biss er von seinem Brötchen ab und kaute stoisch auf dem Bissen herum, kaum schmeckend, was er im Mund hatte. Schneider schaffte es immer wieder, ihm den Appetit zu verderben oder ihn innerhalb von Sekunden auf 180 zu bekommen.
Kröger lächelte wohlwollend. »Schön, dass du das so siehst. Du studierst die Akte, machst danach die Anschrift vom alten Fenske ausfindig und wirst diesen befragen. Einen Fragenkatalog habe ich dir zusammengestellt. Letzte Seite, wenn du mal schauen magst!«
Er bemerkte Vollerts verwunderten Blick und ergänzte: »Und wir beide werden heute Nachmittag den hohen Besuch empfangen, aber vorher habe ich noch einige Fragen an Fräulein Boder.«
»Hast du ihre Adresse?« Die Frage kam sehr gequetscht aus Vollerts kauendem Mund.
»Wenn du dir den Rest des Brötchens auch noch reinstopfst, dann verstehe ich dich besser!« Kröger schüttelte den Kopf.
Vollert kaute schnell, schluckte hastig den Bissen hinunter und spülte mit einem Schluck Kaffee nach. »Ich fragte, ob du ihre Anschrift hast?«
»Ja!« Kröger nickte.
»Sag mal, Horst, du sprachst von hohem Besuch am heutigen Nachmittag, darf man mehr erfahren?«
»Darfst du. Wir erwarten heute eine polnische Spezialistin aus Krakau und einen Herrn vom Museum in unseren heiligen Hallen.«
Vollert zog ein unglückliches Gesicht.
»Hast du damit ein
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