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und nach Besonderheiten. Die Angestellte gab ihm bereitwillig Auskunft. An Besucher und irgendwelche Merkwürdigkeiten konnte sie sich nicht erinnern. Sie bat Kröger, am Montag noch einmal vorbeizuschauen, dann sei ihr Kollege von der anderen Schicht wieder da. Zum Abschluss druckte sie ihm die Anrufliste von Zimmer 218 aus.
Als sie wieder auf der Straße standen, sagte Kröger nur ein Wort: »Feierabend!«
Vollert wollte etwas entgegnen, bemerkte aber Krögers Blick und schwieg.
»Wir sehen uns am Montag. Ausgeruht und mit mehr in der Hand als jetzt.« Kröger schwenkte die Telefonliste. »Die sehe ich noch durch und du fährst nach Hause zu deiner Frau und deiner Tochter. Abmarsch!«
Vollert zuckte mit den Schultern und stapfte grußlos davon.
27
Am Montagmorgen koordinierte Kröger die laufenden Ermittlungen. Die Spurensicherung hatte den Polonez in eine Halle geschleppt und war mitten in der Untersuchung des Fahrzeugs. Kröger selbst hatte die Telefonliste durchforstet und sich einige Notizen gemacht. Am Tag ihres Todes hatte sie zwei Gespräche geführt, eines mit einem Anschluss in Polen, das andere mit dem Kulturhistorischen Museum. Kröger gab Schneider den Auftrag herauszufinden, wem der polnische Telefonanschluss gehörte und was der Inhalt des Telefonates mit dem Museum war.
Dr. Brauner überprüfte mit mehreren Mitarbeitern der Spurensicherung die gefundenen Stücke aus der Kiesgrube. Sie mussten einen Berg von Zigarettenkippen, Papierfetzen und Bierdosen bewältigen, dazu kam die Auswertung von Fußspuren und Reifenprofilen.
Die Befragung des Hotelangestellten stand noch an sowie der Versuch, Ewas letzte Stunden lückenlos zu rekonstruieren.
Schließlich wandte sich Kröger an Vollert: »Um neun ist die Obduktion von Ewa angesetzt, möchtest du dabei sein?«
Vollert blickte auf seine Hände und sah dann Kröger in die Augen. »Also ehrlich, Horst, mir wäre lieber …«
»Brauchst nicht weiterzureden. Ist schon okay. Ich mach’s! Kümmer dich bitte ums Labor.«
»Die werden doch noch nichts haben. Ich würde mich lieber noch mal mit dem Notizbuch von dem von Schleyersdorf beschäftigen. Ich hab da so eine Idee.«
Vollert war aufgestanden und vor Krögers Schreibtisch getreten.
»Mmh, eine Idee ist mir zu wenig als Begründung. Mit dem Labor gebe ich dir aber recht.«
»Ich glaube, dass beide Fälle zusammenhängen. Ewa kannte hier weiter niemanden. Warum sollte man sie kurz vor ihrer Abreise ermorden?«
Auch Kröger stand auf.
»Das müssen wir eben ermitteln. Ich gebe dir bis nach der Obduktion Zeit.«
Er machte sich auf den Weg. Das Auto ließ er stehen, er zog einen Fußmarsch vor, denn er hatte noch Zeit und wollte diese für einen Spaziergang nutzen. Kein Polizist oder Mitarbeiter musste bei einer Obduktion anwesend sein, und hier war er sehr froh, mit Dr. Hüpenbecker den Obduktionsbefund nur durchsprechen zu müssen. Trotzdem versuchte er, diesen Moment so weit wie möglich hinauszuschieben.
Langsam ging er am Frankenteich vorbei. Die Bank, die vor einigen Tagen noch im Wasser gelegen hatte, war geborgen, aber noch nicht wieder aufgebaut.
In der Innenstadt musste er sich an den Urlaubern förmlich vorbeischlängeln. Die Stadt war übervoll: Menschen, so weit das Auge reichte. Den Bäckern wurden die frischen Brötchen fast aus der Hand gerissen. Die Cafés oder Restaurants, in denen man frühstücken konnte, waren bis auf den letzten Platz besetzt. Gut war der dran, der ein Hotelzimmer mit Frühstück gebucht hatte.
Man sollte ein Café aufmachen, so im Wiener-Caféhaus-Stil, sinnierte Kröger. Nur nette Gäste, keine Mörder und vor allem keine Opfer.
Vor dem Rathaus mit seiner prächtigen Schaufassade standen Gruppen von Touristen und fotografierten, was das Zeug hielt. Kröger musterte kurz den Platz. Die vielen Autos störten ihn – und scheinbar nicht nur ihn. Eine ältere Dame mit Stock drohte einem Kraftfahrer, der rücksichtslos über den Markt fuhr. Genauso rücksichtslos ist die ganze heutige Gesellschaft, schoss es Kröger durch den Kopf, jeder denkt nur an sich, will der Erste und Einzige sein. Der Vorfall besserte seine Laune nicht.
Als er am Kniepertor ankam, fiel sein Blick auf die alten Halterungen für die Sperrketten, mit denen früher anstürmende Feinde aufgehalten worden waren. Langsam durchschritt er das Tor. Schon in seiner Kindheit hatte es etwas Feierliches, von der einen Stadtseite zur anderen zu wechseln. Bei den Stadttoren beschlich einen noch
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