Sonea - Die Hueterin
der Türsklave mit erstickter Stimme. »Aber... er hat... in seinem Zimmer... gelassen.«
Er hat etwas in seinem Zimmer zurückgelassen. Höchstwahrscheinlich einen Brief, in dem er erklärt, warum er fortgegangen ist. Und aus irgendeinem Grund denken die Sklaven, dass ich wütend sein werde. Hat Lorkin es sich in den Kopf gesetzt, nach Hause zu reisen?
»Steht auf«, befahl er. »Ihr alle. Kehrt an eure Arbeit zurück. Nein. Wartet.« Die Sklaven hatten begonnen, sich hochzurappeln.
Möglicherweise werde ich sie befragen müssen.
»Bleibt hier. Du«, er zeigte auf den Türsklaven, »du kommst mit mir.«
Das braune Gesicht des Mannes nahm eine teigige Farbe an. Stumm folgt er Dannyl durch das Gildehaus zu Lorkins Gemächern. Überall im Hauptraum waren Lampen entzündet worden, und im Schlafzimmer brannte ebenfalls noch eine.
»Lord Lorkin?«, rief Dannyl, ohne wirklich eine Antwort zu erwarten. Wenn Lorkin ihnen gesagt hatte, dass er fortgehe, würde er wohl kaum hier sein. Trotzdem ging Dannyl zum Schlafzimmer hinüber und schaute hinein.
Bei dem Anblick, der sich ihm bot, gefror ihm das Blut zu Eis.
Eine nackte Sachakanerin lag dort, so verrenkt, dass ihr Gesicht der Decke zugewandt war, ihr Rücken jedoch zu ihm zeigte. Ihre Augen waren starr. Die Laken um sie herum waren voller dunkelroter Flecken. An manchen Stellen glänzten sie noch feucht. Er konnte das Messer sehen, das in ihrem Rücken steckte.
Einen Moment später fuhr Dannyl herum und bedachte den Türsklaven mit einem strengen Blick. »Wie ist das geschehen?«
Der Mann wand sich. »Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Wir haben Geräusche gehört. Stimmen. Nachdem sie verstummt waren, sind wir hergekommen, um nachzusehen.« Sein Blick wanderte zu der Leiche, dann sah er schnell wieder weg.
Hat Lorkin das getan?,
hätte Dannyl gern gefragt.
Aber wenn der Mann sagt, er wisse nicht, was geschehen ist, wird er auch nicht wissen, ob Lorkin dafür verantwortlich ist.
»Wer ist sie?«, fragte Dannyl stattdessen.
»Riva.«
»Ist sie eine der Sklavinnen dieses Hauses?« »J-ja.«
»Ist sonst noch jemand verschwunden?«
Der Mann runzelte die Stirn, dann weiteten sich seine Augen. »Tyvara.«
»Noch eine Sklavin?«
»Ja. Wie Riva. Eine Dienstsklavin.«
Dannyl betrachtete noch einmal die Tote. Hatte diese Tyvara irgendwie mit dem Mord zu tun? Oder hatte sie das gleiche Schicksal erlitten?
»Waren Riva und Tyvara... miteinander befreundet?«, fragte Dannyl. »Hat irgendjemand sie miteinander sprechen sehen?«
»I-ich weiß nicht.« Der Mann blickte zu Boden. »Ich werde fragen.«
»Nein«, erwiderte Dannyl. »Bring die Sklaven zu mir. Sie sollen sich draußen im Flur in einer Reihe aufstellen, und sag ihnen, dass sie nicht miteinander sprechen sollen.« Der Mann eilte davon.
Ich nehme an, sie hatten bereits Zeit, ihre Aussagen aufeinander abzustimmen und sich gute Alibis oder Entschuldigungen auszudenken. Aber sie werden ihre Geschichte nicht abändern können.
Er würde unverzüglich eine Nachricht an Ashaki Achati schicken müssen. Die Sklaven gehörten dem König. Dannyl war sich nicht sicher, ob die Ermordung eines dieser Sklaven ein großes Problem darstellen würde. Aber Lorkins Verschwinden war ein Problem. Vor allem wenn man ihn gegen seinen Willen aus dem Gildehaus weggebracht hatte. Vor allem wenn er die Sklavin ermordet hatte.
Achati wird zweifellos alle Sklaven selbst befragen. Er wird wahrscheinlich ihre Gedanken lesen. Es ist möglich, dass er Informationen, die er vor mir geheim halten will, verbergen wird. Also muss ich so viel wie möglich in Erfahrung bringen, bevor Achati eintrifft.
Er richtete sich auf, als ihn ein kalter Schauer überlief.
Ist es ein Zufall, dass ich in der Nacht in den Palast eingeladen werde, in der eine der Sklavinnen des Königs hier ermordet wird?
Hatte Lorkin die Sklavin getötet? Gewiss nicht. Aber es sah eindeutig so aus. War es Selbstverteidigung gewesen?
Ich sollte auch nach Beweisen für das eine oder das andere suchen, bevor die Männer des Königs erscheinen.
Dannyl ging weiter in den Raum hinein und starrte die Leiche an. Abgesehen von der Messerwunde sah er auf ihrem Arm eine Linie roten, geperlten Blutes entlang eines flachen Schnitts.
Interessant. Das sieht aus wie ein Beweis für schwarze Magie.
Er zwang sich, den Schenkel der Frau zu berühren und mit seinen Sinnen zu suchen. Und tatsächlich, jemand hatte die Energie aus dem Körper gesogen. Es war schwarze Magie benutzt worden.
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