Song of the Slums
Helme lagen auf der Erde herum.
Nach Ablauf einer Stunde hatte die Band fast ihr gesamtes Repertoire einmal durchgespielt. Der einzige verbleibende Song war Maves langsamer Lovesong. Verrol sang den Text so, wie auch Ollifer ihn immer gesungen hatte, also ohne seinen eigenen Namen im Text. Astor warf kurz einen Blick auf Mave und sah dann schnell lachend weg. Verrol hatte ja keine Ahnung, dass er über sich selbst sang!
Sie konnte nicht widerstehen und formte den Text inklusive seines Namens lautlos mit den Lippen.
Ich bin nur ein Geist für dich
,
Verrol, du kannst meine Liebe nicht spüren
,
sie ist kein Teil deiner Wirklichkeit
.
Und dann geschah es: Plötzlich, aus keinerlei besonderem Grund, ließ Verrol seine Klapper und den Schellenkranz fallen und wirbelte herum, als habe ihn etwas gestochen – und ihre Blicke verfingen sich ineinander.
Astor brach in ein unkontrollierbares Lachen aus. Er machte ein fragendes Gesicht … aber natürlich konnte sie ihm jetzt nicht erklären, wie es gewesen war, als ihre Mutter ihren Vater während einer Hausmusik angesehen und er seinen Bogen fallengelassen hatte.
»Ich erzähl’s dir später!«, rief sie Verrol zu.
Er fing an zu grinsen – ein fast jungenhaftes Strahlen. Sie hieb mit neuer Eindringlichkeit auf ihre Drums ein und brachte ihn dazu, die nächste Strophe zu singen.
Und als der Lovesong vorüber war, fing die Band wieder ganz von vorne an. Es machte ihnen einfach zu viel Spaß, als dass sie hätten aufhören mögen. Als es dunkel wurde, erschien ein Laternenanzünder auf seiner Draisine und begann, die Straße entlang alle Gaslaternen anzuzünden. Und noch immer spielten die Rowdys weiter und weiter. Sie waren unermüdlich.
• EPILOG •
Zehn Tage später standen Astor, Verrol, Purdy und Mave im Erdgeschoss des Parlamentgebäudes und unterhielten sich mit Premierminister Hassock. Der grüne Teppich war wieder sauber, die Bronzekübel standen, wo sie hingehörten, und selbst einige der Ölgemälde hingen wieder an ihrem Platz an der Wand. Zwei Parlamentswachen waren mit Gewehren am Treppenaufgang postiert, prächtig anzuschauen in ihren federgeschmückten Helmen und roten mit Borten besetzten Röcken.
»Es ist eine große Ehre für Sie und so ungemein verdient«, sagte Hassock zu den Bandmitgliedern. »Man hatte den Verdienstorden vorgeschlagen – aber nicht mit mir. Nichts weniger als der Orden des Britischen Empire, habe ich gesagt.«
Natürlich war er dankbar; denn wären die Rowdys nicht gewesen, wäre er nicht mehr Premierminister. Trotzdem gefiel Astor weder der nasale Klang seiner Stimme noch die Art und Weise, wie er sein Lächeln an- und wieder abschaltete. Er roch nach Zigarren und Gentlemen-Clubs, und sein Dreifachkinn und dicker Bauch zeugten von vielen in Wohlstand verbrachten Jahren.
»Heute ist Ihr Tag«, fuhr er fort. »Der König steht in Ihrer Schuld, meine Partei steht in Ihrer Schuld, alle konservativen Engländer stehen in Ihrer Schuld. Ihnen ist es zu danken, dass wir unsere traditionelle Verfassung und die Würde der Monarchie bewahren konnten.«
»Ach so!« Verrol hob ironisch eine Augenbraue. »Das war es also, was wir getan haben?«
Astor sah an Hassock vorbei zur Treppe, wo sich die letzten Parlamentarier auf den Weg zur Kammer machten. Sie waren alle der Zeremonie entsprechend gekleidet: hoher Kragen, Kummerbund, Frack. Und sie alle lächelten in Richtung Band, während sie nach oben eilten. Astor traute ihrem Lächeln ebenso wenig wie dem von Hassock.
»Und was ist aus den Plutokraten geworden?«, fragte sie.
»Ja, also, die …« Hassock nickte. »Die Rädelsführer, die nicht ins Ausland geflohen sind, stehen unter Hausarrest. Wir wollen ein Exempel an ihnen statuieren.«
Astor runzelte die Stirn. »Wie viele?«
»Etwa fünfzehn. Wir können nicht alle verfolgen, sonst würde die nationale Wirtschaft zusammenbrechen. Enttäuschend, ich weiß, aber wir müssen realistisch bleiben.«
»Und was ist mit den Swales?«
»Die Swales sind ins Ausland geflohen. Soweit ich weiß die gesamte Familie. Ihre Güter werden konfisziert und verkauft.«
»An andere Plutokraten natürlich«, bemerkte Verrol trocken.
Hassock zuckte mit den Achseln und schwieg.
»Und was ist mit meinem Stiefvater?«, fragte Astor.
»Er ist wieder zuhause auf seinem Estate. Der König hat akzeptiert, dass er kein Rädelsführer war, sondern nur irregeleitet. Er wird nicht angeklagt werden. Das war Ihr Bittgesuch, nicht
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