Songkran
hatte, wurde der medialen Öffentlichkeit ein spektakulärerer Fahndungserfolg präsentiert. Widerwillig musste Gun der Presse Auskunft über den Zugriff geben. Diese Art der Zurschaustellung lag ihm nicht, aber Chaiyon hatte auf seiner Teilnahme bestanden.
Als sich die Hektik legte, war ihm wieder die Stimme des Mädchens am Telefon gegenwärtig. Zweifel fraßen an ihm. Sollte er die Verabredung am Thaksinpier platzen lassen und die Geschichte vergessen? Rational malte er sich die Konsequenzen aus, die sein bisheriges Handeln nach sich ziehen würde. Sein Fazit war: Wenn er jetzt die Reißleine zieht, käme er ungeschoren davon. Bis jetzt wusste niemand außer Noi von seinem Engagement. Dann fragte er sich, ob Noi ihm Vorwürfe machen würde, wenn er das Mädchen im Stich ließe, um seine eigene Haut zu retten. Seine Pension als Staatsbeamter stand auf dem Spiel. Noi wusste nichts von dem Anruf des Mädchens. Er hatte nicht die Zeit und Gelegenheit gefunden, ihr das mitzuteilen. Die Unwissenheit seiner Kollegin würde den Betrug an ihr einfach machen. Warum offenbarte er sich nicht seiner Frau? Vermutlich weil er Angst hatte, sie würde ihm raten, die Finger davon zu lassen. Und sie hatte recht! Was gingen ihn die Studenten an, die mit ihrer Bombe das Leben vieler Unschuldiger gefährdet hatten. In seiner Selbstquälerei gefangen, gestand er sich nicht ein, dass seine Entscheidung bereits gefallen war.
Nach der Dusche zog er seine Dienstuniform an und verließ das zweigeschossige Haus, das in einer Wohnsiedlung für Beamtenfamilien des gehobenen Dienstes stand. Wie an einer Perlenkette aufgezogen, reihten sich baugleiche Häuschen aneinander. Jeweils zwei Gauben zierten die Dächer, die mit roten Tonziegeln gedeckt waren. Eine kleine Veranda mit Treppe führte zum Vorgarten.
In der Dunkelheit streifte Gun den spitzen Ausläufer der alten Algarve, die sich dort entfaltete. Trotz solcher schmerzhaften Begegnungen hegte er Sympathien für dieses mexikanische Ungetüm. Seine Frau hatte die Pflanze auf ihre Abschussliste gesetzt, da sie viel Platz einnahm und weit schönere Gewächse verdrängte. Zwischen den Eheleuten schwelte ein ständiger Disput darüber, der noch nicht entschieden war.
Ein asphaltierter Weg führte an den Gärten und Fahrzeugen der Nachbarn entlang und endete an der zwei Meter hohen Mauer, die die Siedlung vor der Außenwelt abschirmte. Gun schloss das Metalltor auf und trat in die von Straßenlaternen beleuchtete Soi hinein. Grillen zirpten und in weiter Ferne jammerten zwei Katzen.
Das Quietschen beim Öffnen des Metalltores riss den Motorradfahrer aus dem Halbschlaf. Hinter seinem Moped versteckt, lag der 25-jährige Chinese auf dem Boden und schlug sich die Nacht um die Ohren. Dass Gun seine Ruhe unterbrach, kam unerwartet. Die eintätowierte Fratze auf dem Handrücken identifizierte ihn als Gefährte der Bruderschaft des kleinen Drachens . Mr. Wang hatte dem Hageren angeraten, sich einen neuen Partner zu suchen. Der Hagere hatte protesiert, sich aber dem Willen des Alten gebeugt. Der Motorradfahrer besaß nicht die Erfahrung des Muskelmanns. Ob er dessen Hang zur Brutalität besaß, war offen.
Gun musterte die leere Soi. Die Ahnung, beobachtet zu werden, beschlich ihn. Dicht an der Mauer parkte ein VW-Bus, auf dessen offener Ladefläche sich Stühle, Tische und Tresen einer Nudelküche stapelten. Die Besitzer waren ein betagtes Ehepaar, das Gun seit Jahren kannte. Das Moped des Chinesen stand in einer Hofeinfahrt, und befand sich außerhalb seines Sichtfeldes.
„Unsinn!“, sprach Gun laut und marschierte zügig die schmale Soi entlang in Richtung Hauptstraße.
Den Atem anhaltend kauerte der Chinese auf dem Boden und beobachtete Gun, wie dieser sich eiligen Schrittes entfernte. Geräuschlos erhob sich der Chinese hinter seinem Moped. Den Inspektor in dieser menschenleeren Straße zu verfolgen, war zu riskant. Er musste warten, bis Gun die dreihundert Meter entfernt liegende Hauptstraße erreichte. Als ein Taxi vor Gun zum Halten kam, bediente der Chinese den Kickstarter, kuppelte ein und gab Gas.
Nach kurzer Fahrzeit erreichte Gun um Punkt 2 Uhr 35 die Ecke Asok-Sukhumvit und stieg aus. Im Sog der Massen, die die Soi Cowboy verließen, überquerte er die breite Kreuzung, die die unsichtbare Grenze zwischen dem Polizeirevier Thong Lo und Lumphini bildet. Eine endlose Karawane schob sich über den engen Bürgersteig der Sukhumvit. Da, wo am Tage mobile Verkaufsstände billige
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