Songkran
einer Touristengruppe, die Fahrspur des Expressbootes kreuzte. Die Dschunke steuerte in die Richtung eines ufernahen Restaurants, dessen Lichter sich im dunklen Wasser des Chao Praya spiegelten. Alte Tamarinden säumten das Ufer. Ihre Äste hingen müde über dem Wasser herab. Das von Scheinwerfern angestrahle Minarett einer Moschee überragte die Gipfel der Bäume. Die Kuppel des Gebetshauses wurde von einer Plakatwand verdeckt, auf der eine übergroße Coca Cola-Flasche prangte.
„Haben die Männer Sie gesehen?“
„Nein, zum Glück nicht. Ich konnte mich hinter einem Obststand verstecken“, antwortete sie und wandte ihren Blick wieder Gun zu.
„Können Sie die Männer beschreiben?“
„Ein glatzköpfiger Typ - muskulöse Arme, breite Schultern, aber recht klein. Der andere war groß, dünn, hässlich. Chinesische Mafiatypen.“
Das entsprach haargenau der Personenbeschreibung, die die Kaogaeng -Besitzerin von den Männern in Ukrists Straße gemacht hatte, überlegte Gun.
„Sie sind sich also sicher, dass die Männer keine Polizisten waren?“
Toon nickte, holte eine Plastikflasche mit grünem Tee der Marke Oishi aus ihrem Rucksack heraus und nahm einen Schluck.
„Was haben Sie dann gemacht?“ Gun verspürte einen trockenen Mund, als er Toon trinken sah.
„Ich bin abgehauen, so schnell ich konnte.“ Sie verstaute die Flasche zurück in ihren ledernen Rucksack und stellte diesen zwischen die Füße auf den Boden.
„Wo sind Sie untergetaucht?“
„In einem Haus meines Großvaters, in den Bergen von Chiang Mai. Da kommt nie jemand hin.“
„Hatten die anderen auch Verstecke zum Untertauchen?“
„Ja, das war ja die Abmachung. Jeder suchte sich einen Ort, von dem die anderen drei nichts wissen durften. Falls was schief läuft...“ Toon hörte auf zu reden und begann zu weinen.
„Ich verstehe. Keiner wusste, wo der andere untertaucht. Deshalb konnten Muu und Dam auch nicht verraten, wo man Ukrist und sie finden kann.“
Sie nickte und nahm das Taschentuch, das Gun ihr entgegenhielt.
Wahrscheinlich wurden Muu und Dam gefoltert, damit sie die Verstecke von Ukrist und Toon ausplaudern, dachte Gun, aber er sprach seine Vermutung nicht laut aus.
Die Fahrrinne des Expressbootes führte jetzt dichter am dunklen Ostufer entlang, an dem eine Kolonne militärischer Landungsboote vor Anker lag. Die Kraft der Wellen dämpfte sich aufgrund der wuchernden Vegetation der Ufernähe, bis sich die Gischt am olivgrünen Rumpf der Landungsboote brach.
„Wie kam das mit Chantaburi und dem C4?“
„Das war reiner Zufall, dass Muu das mit dem Lagerhaus rausgefunden hatte. Und das Basteln der Bombe war kein Problem für die drei Chemiker.“
„Man hat den alten Mann ermordet. Wissen Sie das?“ Gun war sich selbst nicht sicher, ob er Toon deswegen einen Vorwurf machen sollte.
„Das haben wir nicht gewollt“, sagte Toon aufrichtig. „Der alte Mann hatte uns versprochen, nach dieser Aktion unterzutauchen.“
„Wo ist das restliche C4 jetzt?“ fragte Gun und erlöste sie von ihren Gewissensbissen.
„Das C4 ist an einem sicheren Ort. In der Nacht bin ich noch zu unserem Sprengstoffversteck gefahren und habe den Rest weggeschafft.“
„Als die Fremden in Ukrists Haus waren?“
Toon nickte zustimmend. „Wer sind diese Typen, Herr Inspektor?“
„Vermutlich chinesische Auftragskiller. Aber wer hat den Auftrag gegeben?“, murmelte Gun. „Mit ihren Forderungen hätten Sie vielen das Geschäft vermiest. Es gibt also genügend potentielle Hintermänner, die Sie loswerden wollen.“
„Sie kennen sie nicht?“
„Nein, aber ich vermute, dass die nicht nur hinter Ihnen her sind, sondern auch den Sprengstoff wollen. Wo ist der Sprengstoff?“
„Chiang Mai.“
„Im Haus von Ihrem Großvater?“
„In der Nähe vergraben.“
„Und da ist es noch?“
„Das liegt dort für immer.“
„Und wieviel ist noch übrig?“
„Ungefähr 200 Kilogramm.“
Am Ufer versteckten sich die Konturen zweistöckiger, zerfallener Betonhäuser in der Dunkelheit. Nahtlos schloss sich die Halle einer Schiffswerft an, in der die Funken der Schweißgeräte wie Sterne durch die Luft wirbelten. Traditionelle Holzbauten auf Stelzen reihten sich dazu, in denen das Flackern der Fernsehgeräte durch die heruntergelassenen Jalousien strahlte.
„Hätten Sie die Bombe gezündet, wenn wir nicht auf Ihre erste Forderung eingegangen wären?“ Von der Glaubwürdigkeit dieser Antwort wollte er seine weiteren
Weitere Kostenlose Bücher