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Songkran

Songkran

Titel: Songkran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erik Matti
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Sie Wen?“ Guns Augen fixierten Toons abgekaute Fingernägel. Sie bemerkte sein Starren. Verschämt vergrub sie die Hände unter dem Rucksack, der auf ihrem Schoß lag.
    „Ich meine unsere Mädchen; Hunderttausende verkaufen sich an Ausländer, jeden Tag. Der Nana Plaza liegt in Ihrem Revier. Sie wissen, wovon ich rede.“
    „Rotlichtbezirke gibt es in jeder Großtadt der Welt, Amsterdam, Hamburg und so weiter“, verteidigte Gun sofort, da Toon sein Selbstverständnis als Revierleiter angegriffen hatte.
    „Der Unterschied ist, dass niemand aus...“ Toon atmete tief durch. „...sagen wir, niemand fliegt von den USA nach Amsterdam, nur um dort Sex zu kaufen.“ Toons Stimme wurde leiser, so dass der letzte Teil des Satzes im Dröhnen des Dieselmotors unterging.
    „Es ist ja nicht nur Bangkok, Herr Inspektor. Nehmen wir doch Pattaya, das größte Hurenhaus der Welt.“
    Ihren Eindruck von Pattaya teilte er, auch wenn ihm diese drastische Ausdrucksweise missfiel.
    „Oder nehmen wir die Grenze zu Malaysia. Sie kennen die Ortschaften, die dort von der Prostitution heimgesucht werden? Junge, buddhistische Mädchen aus dem Isan verkaufen sich an Moslems für ein Taschengeld. In welcher Welt leben wir, Herr Inspektor?“
    „Das hat doch was mit Armut zu tun. Je reicher der Isan wird, desto weniger…“
    „Die Theorie gibt Ihnen ja recht, aber in der Praxis geschieht doch das Gegenteil“, fuhr sie ihm engagiert ins Wort. „Entschuldigung Herr Inspektor, dass ich Sie unterbrochen habe.“
    Gun zuckte mit den Schultern. „Kein Problem. Fahren Sie fort.“
    „Immer mehr Mädchen und Frauen verkaufen sich; von den Mädchen, die sich an unsere thailändischen Freier verkaufen, mal ganz abgesehen. Es gibt neue Käufermärkte: China, Indien, Russland und, und, und…“ Toon zählte an ihren Fingern ab. „…eine neue Mittel- und Oberklasse entsteht dort. Die Nachfrage nach käuflichem Sex steigt und das Angebot aus dem Isan steigt mit. Thailand ist das Bordell der Welt geworden. So sind die Zusammenhänge oder Spielregeln, Herr Inspektor.“
    Gun hielt diese Meinung, trotz Toons scheinbar fundierter Kenntniss, für maßlos übertrieben. Dennoch war er beeindruckt von der Vehemenz ihrer Überzeugung.
    Das Expressboot fuhr unter der Brücke Rama VIII hindurch. Scheinwerfer ließen die gewaltige Stahlkonstruktion, die einem Spinnennetz gleicht, golden leuchten. Vom phallusartigen Pfeiler auf der Thonburi-Seite, verteilt die Spitze großzügig ihre stabilisierenden Stahlfäden bis zur Ostseite des Flusses.
     „Erzählen Sie mir von den Tagen, nachdem Muu die Bombe auf den Parkplatz des Nana-Hotels gefahren hatte“, wechselte Gun das Thema.
    „Wir sind ganz normal in die Universität gegangen. Ich zur Politikwissenschaft, die drei anderen zur Chemie. Aber dann...“
     „Was ist passiert?“
    Toon antwortete nicht. Sie drehte ihren Kopf nach hinten und ließ ihre Augen über die Gesichter der Passagiere wandern, die im rückwärtigen Fahrgastraum saßen: Sympathisch dreinschauende Sekretärinnen in modischen, bunten  Kostümen; zwei glatzköpfige Mönche in religiöser Tracht; einige lachende Schulkinder in blauen Schuluniformen, die sehr spät nach Hause fuhren; eine maskulin wirkende Tomboy , die ungezwungen mit ihrer hübschen Freundin turtelte; ein Farang in weißem Baumwollanzug, der interessiert ein Buch las; zwei alte aber rüstige Chinesen, die sich anregend unterhielten; ein junger Mann mit Helm in der Hand, der an der Reling stand und aufs Ostufer blickte. Nichts Verdächtiges. Und doch hatte sie das Gefühl, dass jemand ihr Gespräch mit Gun beobachtete.
    „Sie wollten mir erzählen, was letztes Jahr im Oktober passierte?“, unterbrach Gun ihre Geistesabwesenheit.
    „Ja, es war am Donnerstagabend, eine Woche nach der Bombe auf dem Parkplatz. Wir hatten uns in Ukrists Wohnung verabredet. Ich kam etwas später, wegen eines Seminars in der Universität. Das war mein Glück, da...“ Schuldbewusst lächelte sie Gun an. „...zwei Männer in Ukrists Haus waren. Ich kam gerade mit dem Motorradtaxi an, als die zwei mit Dam und Muu das Haus verließen.“
    „Wo war Ukrist?“
    „Wie üblich unpünktlich.“
    „Gab es Gegenwehr von Ihren Freunden?“
    „Nein, aus ihren Gesichtern sprach nur Angst, die nackte Angst, Herr Inspektor.“
    „Wo sind die vier hingegangen?“
    „Keine Ahnung. Sie sind weggefahren.“
    Toons Blick wanderte erneut auf den Fluss hinaus, wo eine beleuchtete Dschunke, besetzt mit

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