Sonne über Wahi-Koura
Problem?«, fragte Didier, als er seiner Arbeitgeberin in die Kutsche half.
»Nein, es ist alles in Ordnung. Fahren wir zurück!«
Louise versuchte sich ihren Zorn und ihre Besorgnis nicht anmerken zu lassen. Manson beobachtet sicher jede meiner Regungen, dachte sie, und freut sich über meine Schwäche. Diesen Gefallen werde ich ihm nicht tun!
Als sie sich beim Anfahren der Kutsche umsah, war der Bankier jedoch bereits verschwunden. Aber das Unwohlsein, das seine Worte ausgelöst hatten, wollte nicht weichen. Auch der Anblick der prächtigen Landschaft vermochte es nicht zu verscheuchen.
Innerhalb einer Stunde hatten die Arbeiter die von Helena ausgewählten Möbel vom Dachboden in die Halle geschleppt. Zu Helenas Erleichterung ließ Newman sich nicht blicken. Sie wollte sich die Freude über ihren Fund nicht durch seine schlechte Laune verderben lassen.
Im hellen Tageslicht sahen die Möbel noch besser aus. Das Holz war zwar verstaubt, aber tadellos und ohne Spuren von Wurmbefall. Und der Bezug der Chaiselongue leuchtete wie der Sommerhimmel.
Nach kurzer Überlegung wusste Helena, wie sie die Stücke auf die Zimmer verteilen wollte. Eine Kommode ließ sie in ihr Schlafzimmer schaffen. Den benachbarten Raum verwandelte sie mittels des Sekretärs, der Chaiselongue und der passenden Sessel in einen Salon.
In einer Ecke fand sich noch ein Teppich, der farblich zu den Sitzmöbeln passte. Zu gern hätte sie selbst mitangefasst, aber die Männer erlaubten das nicht.
»Soll ich Ihnen Tee bringen?«, fragte Sarah zwischendurch, doch Helena lehnte ab und räumte die Kommode im Schlafzimmer ein.
Während sie über ihren Leib streichelte, fragte sie sich, wie sie an eine Wiege kommen könnte. Ob einer der Männer bereit wäre, eine zu bauen?
»Was ist hier los?«, polterte plötzlich eine Stimme auf Französisch. Helena wirbelte herum. Ihre Schwiegermutter stand in der Tür.
Unwillkürlich zog die den Kopf ein. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie sich einiges herausgenommen hatte. »Ich habe die Möbel vom Dachboden holen lassen«, antwortete sie kleinlaut.
»Das ist ja unerhört! Wie konnten Sie es wagen, sich diese Sachen anzueignen?« Louise baute sich wutschnaubend vor ihrer Schwiegertochter auf.
»Sie haben mich doch dazu aufgefordert, mich einzurichten.«
»Denken Sie ja nicht, dass Sie hier schalten und walten können, wie es Ihnen beliebt! Was fällt Ihnen bloß ein, meine Leute herumzukommandieren?«, fauchte Louise. »Sie haben kein Recht, meine Angestellten für Ihre Zwecke einzuspannen.«
»Mister Newman hat meiner Bitte entsprochen, die Männer freizustellen. Einige von ihnen haben ihre Pause genutzt, um mir zu helfen.«
»Sie hätten die Möbel nicht anrühren dürfen!«
»Ja, Sie haben Recht, Madame. Es tut mir leid. Aber als ich diese wunderschönen Möbel gesehen und gehört habe, dass sie einmal Laurent gehört haben, konnte ich nicht widerstehen. Es kam mir vor, als würde ich mir ein Stück seiner Vergangenheit aneignen, das mir bisher unbekannt war. Ich kann ihn nicht vergessen ... Und ich will es auch gar nicht.«
»Schweigen Sie!« Louise war kreidebleich geworden. Sie drehte sich auf dem Absatz um und warf die Tür hinter sich ins Schloss.
Am Abend verlangte Louise nicht danach, mit Helena zu essen. Sarah brachte Helena das Dinner in ihren Salon.
Während Helena aß, betrachtete sie die Einrichtung. Ihr Triumph fühlte sich schal an. Ich hätte das nicht tun dürfen, gestand sie sich ein. Doch wie hätte ich Louises Wünschen nachkommen und das Zimmer einrichten sollen?
Müde lehnte sie sich auf der Chaiselongue zurück, und bald fielen ihr die Augen zu.
6
Ein Krachen verscheuchte Helenas Traum. Erschrocken schnappte sie nach Luft und fuhr in die Höhe. Wo bin ich?
Es dauerte eine Weile, bis ihr klar wurde, dass sie sich auf der Chaiselongue des Salons und nicht in ihrem Bett befand.
Was ist los?
Das Morgenlicht glitt sanft in den Raum, alles war still.
Vielleicht habe ich mir den Lärm nur eingebildet, dachte Helena.
Aber im selben Moment ertönte Geschrei. Wütende Rufe hallten über den Hof.
Seufzend erhob sich Helena und eilte zum Fenster.
Eine Menschenmenge hatte sich auf dem Rondell vor der Eingangstreppe versammelt.
Was wollen diese Leute?, fragte sie sich.
Einige von ihnen hielten Schilder in die Höhe. »Nieder mit dem Alkohol!« oder »Nieder mit den Schnapsbrennern!« prangte in dicken schwarzen Lettern darauf.
Als ob Winzer Schnapsbrenner wären! Helena
Weitere Kostenlose Bücher