Sonne über Wahi-Koura
für die Weinbauern haben, sondern auch für die Maori. »Du weißt, welche Schande du damit über dein Volk gebracht hast.«
»Ich weiß. Und es tut mir furchtbar leid. Wenn ich könnte, würde ich es ungeschehen machen.«
Louise seufzte. »Ich werde dir Mister Reed schicken. Er wird dir deine Freiheit nicht zurückgeben, aber er wird dafür sorgen, dass man dir einen fairen Prozess macht und du nicht dein Leben lang im Steinbruch schuften musst.«
»Vielen Dank, Ma'am.«
»Was deinen Stamm angeht, werde ich allerdings nicht viel tun können. Du weißt, welche Strafe dich erwartet.«
Joe senkte den Kopf. »Sie werden mich verstoßen.«
Louise nickte bedächtig. »Ja, das werden sie. Du wirst allein zurechtkommen müssen.«
Der junge Mann nickte und griff ungestüm nach Louises Hand. »Es tut mir so leid«, schluchzte er los. »Danke, dass Sie mir helfen!«
»Helfen kann dir niemand. Ich will nur nicht, dass sich deine Schande auch auf andere ausweitet, die nichts damit zu tun haben.« Damit zog Louise ihre Hand zurück.
Ich brauche eine Beschäftigung, dachte Helena entschlossen, während sie die Mangokonfitüre auf ihrem Croissant verteilte. Wenn Newman mir keine gibt, suche ich mir eben selbst eine. Und wenn ich die leeren Räume nebenan irgendwie einrichte.
»Sarah, hast du eine Ahnung, wie ich in dieser Gegend an preiswerte Möbel kommen kann?«, fragte sie das Dienstmädchen, als es erschien, um das Frühstücksgeschirr abzuräumen. »Der Dachboden ist voll davon.«
»Der Dachboden hier im Haus?«
Sarah sah sich erschrocken um, bevor sie flüsterte: »Ja, dort stehen eine Menge Möbel. Jedenfalls hat Adelaide das erzählt.«
»Dann sollten wir sie uns mal ansehen.«
»Aber Madam ...«
»Ist Madame überhaupt zu Hause?«
»Nein, sie ist heute Morgen weggefahren.«
»Dann steht uns ja niemand im Wege.«
Helena war in ihr einfachstes Witwenkleid geschlüpft und hatte sich die Haare zu einem Chignon zusammengebunden.
Sarah hatte inzwischen eine Petroleumlampe aufgetrieben, mit der sie nun der Hintertreppe zustrebten. Ein wenig unsicher ging sie vor Helena. Eigentlich gab es keinen Grund dafür, denn die Treppe machte einen stabilen Eindruck. Eine dicke Staubschicht lag auf den Stufen. Spinnweben zierten die Wände. »Was ist mit dir?«, fragte Helena, als das Mädchen zögerte.
»Nichts, Madam, ich finde den dunklen Dachboden nur ein wenig unheimlich.«
»Das geht mir ähnlich«, gab Helena zu.
Muffige Luft strömte ihnen entgegen, als Sarah die Tür zum Abstellraum aufstieß. »Ich hoffe, hier gibt es eine Luke.«
»Oh, die gibt es tatsächlich, Madam.«
»Dann öffne sie, und lass die Geister, die hier oben schwirren, raus. Sie werden sich freuen, wieder ans Licht zu kommen.«
Ein wenig beklommen schaute sich Helena um. Die kindliche Furcht vor der Finsternis hatte sie zwar abgelegt, aber dennoch hatte sie Gänsehaut, zumal Sarah mit der Lampe in der Dunkelheit verschwunden war.
Wenig später flutete Licht in den weitläufigen Raum. Aufgewirbelte Staubpartikel tanzten in den Sonnenstrahlen, die auf zahlreiche Kisten und mit Laken bedeckte Gegenstände fielen. Helena erahnte darunter Sofas, Schränke, Sekretäre oder Kommoden.
Das ist genug Mobiliar, um mindestens zwei Zimmer einzurichten, dachte sie. »Weißt du zufällig jemanden, der mir die Sachen heruntertragen kann?« Newman wollte sie nicht fragen.
»Ich kann mit den Männern sprechen«, erbot Sarah sich. »Nach Feierabend werden sie bestimmt gern helfen.«
»Vielen Dank, das wäre nett.« Schwungvoll zog Helena das Tuch von einer Chaiselongue.
Sarah nieste, als ihr der aufgewirbelte Staub in die Nase geriet.
»Gesundheit!«, wünschte Helena, während sie das Sitzmöbel näher in Augenschein nahm. Der blau-weiß gestreifte Stoff wirkte wie neu. Gleiches galt für das Holzgestell. Versonnen strich sie über die glatte Oberfläche. Dann sagte sie: »Nehmen wir alle Tücher ab!«
Nach und nach kamen wunderbare Dinge zum Vorschein. Ein Sekretär mit kostbaren Intarsien, eine mit Schnitzereien verzierte Anrichte, zwei Kommoden und zur Chaiselongue passende Sessel. Außerdem ein bemalter Glastisch, zwei Regale und zahlreiche Kisten.
Helena war überwältigt von den wunderschönen Stücken. Wieso hat Louise die bloß auf den Dachboden verbannt? Wenn sie sie nicht mehr haben wollte, hätte sei sie doch verkaufen können, überlegte sie. »Warum stehen diese schönen Möbel denn hier oben?«, fragte sie Sarah.
Das Mädchen senkte
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