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Sonne über Wahi-Koura

Sonne über Wahi-Koura

Titel: Sonne über Wahi-Koura Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Laureen
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zurückzudrängen. Einige Maori haben sich den Engländern gebeugt und sich angepasst, doch andere, wie eben dieser Stamm, der auf dem Grundstück von Madame de Villiers lebt, wollen an ihrer traditionellen Lebensweise festhalten.«
    Jetzt verstand Helena, warum Sarah sie nicht allein gehen lassen wollte.
    Helena fröstelte und räusperte sich verlegen. Ich sollte etwas sagen, dachte sie, aber sie brachte kein Wort hervor, denn Newmans Wärme und der holzige Duft seiner Haut verwirrten sie.
    »Ist Ihnen kalt?« Newman knöpfte seine Weste auf. »Ich habe leider keine Jacke dabei, aber die Weste lindert die Kälte vielleicht auch ein bisschen.«
    »Nein, nicht nötig«, lehnte Helena ab. »Die Aussicht hat mich nur überwältigt.«
    »Sie sollten bei Tag herkommen, da ist sie einfach grandios.« Newman legte ihr die Weste über die Schultern. »Ich möchte wirklich nicht, dass Sie frieren.«
    »Danke.« Helena senkte schüchtern den Blick. »Wir sollten besser zurückkehren.«
    »In Ordnung, kommen Sie.«
    Schweigend machten sie sich auf den Rückweg. Die Geräusche des Waldes kamen Helena plötzlich unnatürlich laut vor, doch sie war froh darüber, denn sie übertönten das Pochen ihres Herzens.

10

    Nach dem Frühstück und ihrer Morgentoilette beschloss Helena, ihre Schwiegermutter ganz offiziell nach der Bibliothek zu fragen. Noch einmal wollte sie von ihr nicht beim Umherschleichen durch das Haus erwischt werden. Womöglich glaubt sie dann, dass ich etwas stehlen oder schnüffeln will. Außerdem erwartet sie sicher, dass ich sie um Erlaubnis frage.
    Helena fand ihre Schwiegermutter in ihrem Arbeitszimmer, dessen Tür offen stand. Diesmal saß sie nicht am Schreibtisch, sondern stand vor dem Fenster und schaute gedankenverloren auf den Hof hinaus.
    Als Helena sich bemerkbar machte, wandte sie sich langsam und würdevoll um.
    Helena ignorierte den strengen Blick, den sie ihr zuwarf. »Guten Morgen, Madame de Villiers«, grüßte sie lächelnd.
    »Was wollen Sie?«
    »Ich möchte fragen, ob Sie etwas dagegen haben, dass ich Ihre Bibliothek aufsuche. Ich würde mich gern mit etwas Lektüre zerstreuen. Es sei denn, es gibt irgendwelche Verpflichtungen, denen ich nachkommen soll.«
    Louise musterte ihre Schwiegertochter einen Moment, bevor sie den Kopf schüttelte. »Die gibt es nicht. Meinetwegen benutzen Sie die Bibliothek.«
    »Vielen Dank, Madame!«, entgegnete Helena ein wenig überrascht. »Würden Sie mir auch verraten, wo ich sie finden kann?«
    »Im ersten Stock. Gehen Sie einfach nach rechts bis zur letzten Flügeltür! Ich erwarte, dass die Bücher unbeschädigt wieder an den Platz gelangen, an dem sie gestanden haben. Die Bibliothek hat mein Vater eingerichtet, und ich dulde nicht, dass sein Werk beschädigt wird.«
    »Madame, ich versichere Ihnen, dass ich behutsam mit den Büchern umgehen und keine Unordnung schaffen werde.«
    Louise nickte nur und wandte sich wieder dem Fenster zu.
    Helena verließ erleichtert das Arbeitszimmer. Offenbar hat meine Schwiegermutter heute etwas bessere Laune, dachte sie. Oder ich habe endlich mal etwas richtig gemacht.
    Ehrfurchtsvoll betrat sie die Bibliothek, in deren Mitte ein Schreibtisch mit Leselampe stand. Ein ledergebundenes Buch war perfekt auf die Kante ausgerichtet. Die Fülle der Bücher, die sich in den Regalen aneinanderreihten, beeindruckte Helena. Gewiss waren es mehr als tausend Bände. Es überraschte sie nicht, dass sie vorwiegend Werke über den Weinbau entdeckte. Die teilweise recht dicken Exemplare stammten aus gut zwei Jahrhunderten. Helena strich begehrlich über die ledernen Rücken, deren Beschriftung manchmal abgerieben oder verblichen war.
    Bücher über die Maori suchte sie jedoch vergebens. Ob es über diese Menschen überhaupt Berichte gibt?, fragte sie sich enttäuscht. Aber die Entdecker dieser Insel haben doch bestimmt auch etwas über die Ureinwohner niedergeschrieben, überlegte sie. Offensichtlich interessiert Louise sich nicht dafür.
    Schritte näherten sich der Tür.
    Helena drehte sich um. Will Louise nachsehen, ob ich auch wirklich nichts beschädige?, schoss ihr durch den Kopf.
    Es war jedoch nur Sarah, die mit hochrotem Gesicht in der Tür stand. Offenbar hatte sie nach ihr gesucht.
    »Was gibt es, Sarah?«, fragte Helena.
    »Ihre Schwiegermutter schickt mich, Madam. Sie lässt Ihnen ausrichten, dass Sie sie zum gemeinsamen Mittagessen erwartet.«
    Das hätte sie mir vorhin doch selbst sagen können, dachte Helena. »Ich werde

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