Sonne über Wahi-Koura
diesen unverschämten Gruß und beschloss, im Gerichtssaal zu bleiben, da sie sich in Reichweite der Constables sicherer fühlte.
Es dauerte nicht lange, bis die Geschworenen zurückkehrten. Wie erwartet, sprachen sie Joe Aroa schuldig.
Obwohl sich der Richter dem geforderten Strafmaß des Staatsanwaltes anschloss, brach im Saal ein Tumult los. Forderungen nach Joes Hinrichtung wurden laut. Als einige Schreihälse zur Anklagebank drängten, schritten die Constables ein. Während sie mit Schlagstöcken gegen die Männer vorgingen, versuchten einige Frauen, nach draußen zu gelangen.
Louise sprang ebenfalls auf. Mit rasendem Herzen beobachtete sie die Schlägerei. Unbeteiligte Männer wurden bedrängt und gestoßen, andere gingen blutend zu Boden. Die Maori hatten sich bereits zurückgezogen.
Langsam tastete Louise sich zum Fenster vor. Ich hätte Didier bitten sollen, mich zu begleiten, schoss ihr durch den Kopf.
Hilfesuchend blickte sie zu Reed, aber er stellte sich gerade schützend vor seinen Mandanten, dem die Panik ins Gesicht geschrieben stand. Von ihrem Anwalt konnte Louise keine Hilfe erwarten.
Schließlich gewannen die Polizisten die Oberhand. Sie schleppten bereits die ersten Angreifer aus dem Saal. Andere zogen sich freiwillig zurück, worauf auch die Zuschauer hinausdrängten.
Louise wechselte einen Blick mit Reed, bevor auch sie das Gerichtsgebäude verließ.
Auf dem Gehweg hatte sich eine Gruppe junger Männer zusammengerottet und beschimpfte die Constables. Die Maori zogen Keulen und Messer. Einige ältere Herren führten hastig ihre Frauen davon. Die Gaffer beobachteten das Treiben aus sicherer Entfernung.
Als Didier von der gegenüberliegenden Straßenseite herbeieilte, atmete Louise auf. »Gott sei Dank, da bist du ja!«
»Schnell! Nichts wie weg von hier!«, rief er und trat hinter sie, um sie zu beschützen.
Plötzlich krachte es in ihrem Rücken. Ein Schuss! Louise blickte sich erschrocken um. Vor einem Gebäude liefen Menschen zusammen.
»Sie haben die Scheibe vom Drugstore eingeschlagen!«, sagte Didier und legte einen Arm schützend um Louise. »Wir haben die Kutsche gleich erreicht.«
In der kleinen Seitenstraße, wo sie stand, war noch alles ruhig. Als Didier sich bückte, um den Tritt herunterzuklappen, traf Louise plötzlich etwas am Kopf. Sterne blitzten vor ihren Augen auf. Als sie benommen gegen die Kutsche taumelte, klirrte etwas neben ihr.
»Madame!«, rief Didier und stützte sie.
Benommen blickte Louise ihn an, während sie spürte, dass etwas Warmes über ihre Stirn lief. Es flimmerte vor ihren Augen, und ihr wurde schwindelig, sodass sie sich an Didiers Jacke festhielt.
»Sie sind verletzt, Madame!«
Louise antwortete nicht. Ihre Schläfe pochte zu schmerzhaft, ihre Glieder zitterten. Wer hat mich getroffen?, fragte sie sich. Einer der Abstinenzler?
Ihre Gedanken wurden von einem erneuten Schwindelgefühl ausgelöscht. Mit dem Gefühl zu fallen, sackte sie in Didiers Arme.
Vorsichtig bugsierte Didier seine Herrin in die Kutsche. Dann zog er ein sorgfältig gefaltetes Taschentuch hervor.
»Bitte, Madame, pressen Sie sich das an die Schläfe«, bat er mit zitternder Stimme. »Und legen Sie sich am besten hin, damit Sie nicht noch einmal getroffen werden!«
Louise nahm das Taschentuch und lehnte sich erschöpft zurück. Als das Flimmern nicht nachließ, schloss sie die Augen. Der Lärm rings um sie herum verebbte. Verliere ich das Bewusstsein?, fragte sie sich, als die Kutsche anfuhr.
Keuchend blieb Helena stehen und reckte sich. Der Rücken machte ihr zu schaffen, und Schweißperlen liefen ihr von den Schläfen. Der Aufstieg zum Kultplatz kam ihr heute mühseliger vor als damals mit Newman. Lag das an der Wärme? Oder war sie zu schwer geworden?
Da die Hausherrin fort war, hätte sie genauso gut durch den Weinberg spazieren können. Aber Helena war klar, dass Newman die Order bekommen hatte, sie wegzuschicken.
Nach einer kurzen Verschnaufpause setzte Helena den Weg fort und erreichte schließlich den Platz. Ihr war ein wenig unwohl zumute. Ob dieser Ort auch von Kriegern bewacht wird?, fragte sie sich und blickte sich aufmerksam um. Als sich auch nach einigen Minuten niemand zeigte, setzte sie sich auf einen Stein und schaute hinunter auf das Weingut.
Was mochte aus den Kerlen geworden sein, die sie im Weinberg überrascht hatte? Nachdem sie Newmans Leuten entkommen waren, hatten sie sich nicht wieder blicken lassen. Wachposten sicherten nun die Reben. Aber
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