Sonne über Wahi-Koura
Whimby-Tochter wird wahrscheinlich schon nächsten Monat heiraten, weil sie in anderen Umständen sein soll.«
»Das war abzusehen«, gab Manson zurück, als der Barbier die Klinge abwischte.
»Bei den Hatteltons fliegen dauernd die Fetzen. Gestern soll sie ihrem Gatten einen Blumentopf aus dem Fenster hinterhergeworfen haben. Die alte Milly hat mir das erzählt.«
»Und wie sieht es mit Neuigkeiten von außerhalb aus?«
Jenkins hielt mit betretener Miene inne. »Madame de Villiers liegt im Sterben, munkelt man. Aber das wussten sie sicher schon.«
Manson wirkte überrascht. »Was ist geschehen?«
»Sie ist wohl zusammengebrochen. Viel erfährt man natürlich nicht. Wie man es von der Familie kennt, hüllt sie sich in Schweigen. Aber letzte Woche hat sich die junge Madame de Villiers mit einem bekannten Weinhändler getroffen. Ein Page aus dem Hotel will mit angehört haben, dass sie ganz offiziell Verhandlungen geführt hat.«
Mansons Körper spannte sich an. Dann war sie also doch nicht nur in der Kirche.
»Hat Madame die Führung des Gutes abgegeben?«
»Wie gesagt, niemand weiß etwas Genaues. Aber wenn die alte Dame stirbt, wird sie die Geschäfte sicher ihrer Schwiegertochter übertragen.« Damit setzte Jenkins das Messer wieder an.
Während die Klinge über Wangen und Kehle strich, fragte sich Manson, was für eine Frau die junge De Villiers wohl sei. Würde sie mit ihm verhandeln? Bei ihren Begegnungen hatte sie ganz offensichtlich kein Interesse gehabt, mit ihm zu sprechen. Um das Erbe ihres Kindes zu bewahren, wird sie sicher versuchen, das Gut zu halten, überlegte er und beschloss, sie beobachten zu lassen. Wenn ich ihre Schwachstellen kenne, werd ich sie schon zu packen kriegen, dachte er.
Helena seufzte. Die Unterlagen auf dem Schreibtisch schienen sie förmlich zu erdrücken. Viele Gepflogenheiten waren anders als in Deutschland. Dazu kam, dass Louise kaum bestrebt gewesen war, etwas auf dem Gut zu ändern.
Monsieur Pelegrin unterstützte sie nach Leibeskräften, doch letztlich war sie es, die sich vor Madame verantworten musste.
Nachdem sie den Sekretär für ein paar Besorgungen in die Stadt geschickt hatte, blieb Helena noch eine Weile im Büro und blätterte in Unterlagen, die aus der Zeit von Madames Großvater stammten. Die Schrift war an manchen Stellen unleserlich geworden, aber Helena bekam dennoch ein Gefühl dafür, wie schwer der Aufbau dieses Weinguts gewesen war. Roland de Mareille hatte zahlreiche Rückschläge zu verkraften. Einmal hatte er durch ein Erdbeben beinahe die gesamte Ernte verloren. Helena war beeindruckt, dass er trotz allem nicht aufgegeben hatte. Wir werden es auch schaffen, tröstete sie sich. Sofern Louise mir weiterhin das Vertrauen schenkt, werde ich alles tun, um Wahi-Koura zu halten.
Lächelnd klappte sie den schweren ledergebundenen Folianten zu und verließ das Haus.
Auf dem Hof unterhielt sich Newman gerade mit einem Mann, der einen zerschlissenen Seesack über der Schulter trug.
»Ah, Mistress de Villiers, gut, dass Sie da sind.« Er klopfte dem Mann aufmunternd auf die Schulter und trat zu Helena. »Das ist Matthew Haynes, ein Pflücker von der Südinsel. Sein Weingut ist bankrottgegangen, und er möchte für einige Monate hier arbeiten.«
»Haben Sie denn Verwendung für ihn?«
»Er könnte beim Winterschnitt helfen. Außerdem müssten Fässer geschrubbt und Ausbesserungen bei den Schuppen vorgenommen werden. Er würde sich hier nicht langweilen.«
»Und die Bezahlung?«
»Er sagt, er wäre mit dem zufrieden, was wir ihm geben. Ein Gehilfenlohn wäre angemessen, denke ich.«
»Was würde Madame dazu sagen?«
»Madame überlässt die Einstellung neuer Leute weitgehend mir.«
»In Ordnung, dann stellen Sie ihn erst einmal für drei Monate ein.«
Zane winkte den Pflücker herbei. »Mistress de Villiers hat beschlossen, Sie einzustellen.«
»Vielen Dank, Madam.« Das stoppelbärtige Gesicht des Mannes verzog sich zu einem Lächeln, als er eine kleine Verbeugung andeutete.
»Keine Ursache, Mister Haynes. In diesen Zeiten müssen wir Winzer zusammenhalten. Wenn Sie sich bewähren, bin ich bereit, Sie auch für längere Zeit zu übernehmen.«
Newman lächelte Helena an. Dann geleitete er den Neuen zu den Quartieren.
Am Nachmittag tauchte Zane vor dem geöffneten Bürofenster auf. »Kommen Sie zurecht, Helena?«
Sie blickte auf. »Ja, allmählich lichtet sich das Dunkel. Monsieur Pelegrin kämpft sich mit mir wacker durch die Bilanzen. Es
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