Sonne, Wind und Mord (German Edition)
wichtige Termine wahrzunehmen und hatte dann eine ganze
Handvoll Berater mit an Bord. Auf der jetzigen Tour gab es lediglich zwei
Passagiere, Greenly selbst und seinen persönlichen Sekretär.
Dennis Abnegator saß - mit auf der Brust gesunkenem Kopf -
schräg gegenüber und schlief. Greenly achtete einen Augenblick auf das
regelmäßige Schnarchen, dann wandte er sich ab und schaute hinab auf das halb
volle Glas in seiner Hand. Es war die richtige Entscheidung gewesen, nur Dennis
mitzunehmen. In weniger als einer halben Stunde würden sie Rotterdam erreicht
haben. Noch einmal acht Stunden später würde er vor den versammelten Größen der
Weltpolitik sprechen. Ihm war das Privileg zuteil geworden, die gewichtige
Eröffnungsansprache dieses wegweisenden Umweltgipfels zu halten.
Reden vor großem Publikum war nichts Neues für ihn. Er war
Politiker durch und durch, ein Profi was Rhetorik und Selbstdarstellung anging,
aber dieses Mal würde es etwas Besonderes sein und besonders wichtig obendrein.
Bisher hatte er immer mit ansehen müssen, wie man nach langem Hin und Her doch
zu nichts gekommen war. Aber jetzt musste endlich etwas getan werden und dieses
Etwas würde heute beginnen. Es würde ein großer Tag zur Rettung dieser Welt
werden, mit ihm als Vorreiter. Zufrieden grinste der Kongressabgeordnete und
nahm noch einen Schluck Whiskey.
Der Jet ging in den Landeanflug über, als er gerade den
leeren Schwenker beiseite gestellt und sich dem, bis dato neben ihm auf dem
Sitz platzierten, Laptop gewidmet hatte. Aus dem Bordlautsprecher ertönte die
monotone Stimme des Flugzeugkapitäns, die auch Greenlys Sekretär aus dem Schlaf
hochfahren ließ.
„Wir befinden uns im Landeanflug auf den Flughafen von
Rotterdam. Aufgrund der Wetterlage kann es ein bisschen ungemütlich werden,
Mister Greenly. Bitte legen Sie, für den Fall der Fälle, den Gurt an und
schalten Sie alle elektronischen Geräte aus.“
Greenly seufzte verärgert, stellte das High-End-Notebook
wieder beiseite und griff nach dem Sicherheitsgurt. Eigentlich gab es nichts
mehr zu tun, dennoch wollte er noch einmal in aller Ruhe seine Notizen
durchgehen. Zwar hatte Greenly sich in den letzten Wochen um kaum etwas anderes
gekümmert, aber er wusste nur zu gut, dass politische Debatten einem Boxkampf
glichen. Es galt, zu taktieren und abzuwarten, jedoch zum passenden Zeitpunkt
einen oder mehrere Treffer zu landen; daher konnte man sich gar nicht genug
vorbereiten.
Während das Flugzeug in den Sinkflug ging und schließlich in
die graue Wolkensuppe eintauchte, malte sich Greenly in Gedanken seine
Eröffnungsrede aus und konnte sich dabei ein selbstsicheres Lächeln nicht
verkneifen. Er wusste, dass man ihm zuhören würde, schließlich war er
Amerikaner und ein Kämpfer für die Umwelt. Eine Kombination, die in den
Vereinigten Staaten nicht allzu häufig vorkam. Er hielt überall in den USA,
neben der Tätigkeit als Abgeordneter, gut besuchte Vorträge. Wissenschaft,
gemischt mit einer einwandfreien Rhetorik, abgeschmeckt mit einem Schuss Humor,
das waren die Zutaten, die dazu notwendig waren und die verstand Greenly,
perfekt miteinander zu verknüpfen. Mit Worten Leute zu erreichen und sie dazu
zu bringen, umzudenken, die Augen zu öffnen und Dinge zu verändern, vielleicht
sogar den Planeten zu retten, darauf verstand sich Greenly bestens.
Ein plötzliches Ruckeln des Jets riss den Abgeordneten aus
den Gedanken. Das ganze Flugzeug schien plötzlich von einer unsichtbaren Kraft
hin- und hergerissen zu werden. Instinktiv krallten sich Greenlys Finger in die
Armlehne. Er fing den verängstigten Blick seines Sekretärs auf, der hektisch am
Sicherheitsgurt herumhantierte; sah, wie das Whiskeyglas aus dem Getränkehalter
sprang, ehe es klirrend zu Boden fiel und realisierte erschüttert die
plötzliche Dunkelheit. Um das Flugzeug herum war nur noch schwarze Wolkenmasse.
Metall ächzte und dicke, vom Wind gepeitschte Regentropfen schlugen gegen die
Fenster. Ein unheilvolles Geräusch tönte aus Richtung der Flugzeugturbine im
Heck; dann setzte der Turbinenlärm in der nächsten Sekunde ganz aus. Ruckartig
wurde Greenly nach oben gerissen; nur der Gurt hielt ihn in Position. Greenlys
Sekretär schrie auf. Das Flugzeug verlor binnen Sekundenbruchteilen an
Flughöhe. Dem Politiker wurde übel. Der ganze Innenraum vibrierte und
schüttelte die Insassen durch. Aber dann, genauso plötzlich wie es begonnen
hatte, verschwand das Ruckeln. Die Wolkenmasse um sie
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