Sonnenfall - McAuley, P: Sonnenfall - The Gardens of Sun
wie alle anderen.«
»Tja, vielleicht bin ich ein Stück weit erwachsen geworden«, sagte Newt. »Oder realistisch.«
»Und was bin ich dann? Verrückt?«
»Ich gebe zu, dass wir uns gerade in einer gefährlichen Situation befinden. Aber wir arbeiten daran, und mit der Zeit wird es einige Veränderungen geben.«
»Mit der Zeit? Und wenn uns nun nicht genügend Zeit bleibt?«
Natürlich bekamen die Zwillinge etwas von dem Streit mit und waren oft viel zu ernst und ruhig. Flüsterten während des Spielens miteinander. Klammerten sich an Newt und fragten ihn, ob er Macy immer noch gern hatte. Oder an Macy und wollten wissen, ob sie und Newt sich trennen würden. Macy sagte ihnen, dass Newt und sie einander sehr liebten und dass sie sich deswegen streiten würden. Und dann stritt sie sich mit Newt darüber, welche Auswirkungen ihre Streitereien auf die Kinder hätten.
Macy verbrachte einen Großteil ihrer Zeit in den Hydrokulturgärten; Newt verschwand stundenlang mit seinen Freunden vom Antriebsentwicklungsteam. Das Team versuchte, den Funkverkehr zu analysieren, der sie vom Saturnsystem erreichte, und einzelne Schlüsselwörter oder Sätze aus dem Gewirr der schwachen Signale herauszufiltern. Sie benutzten stochastische Modelle, um damit sinnvolle Informationen zu sammeln. Bisher hatten sie jedoch außer routinemäßigen
Funksprüchen zwischen zivilen Schiffen und der Verkehrsleitzentrale nichts aufgeschnappt. Die militärischen Sendeanlagen verwendeten engstrahlige Übertragungen, die unmöglich aus der Ferne abzufangen und stark verschlüsselt waren. Macy hatte den Glauben an das Abhörprogramm längst verloren, doch dann kam Newt eines Tages atemlos und aufgeregt zu ihr, voller unfassbarer und herrlicher Neuigkeiten.
Macy und die Zwillinge ernteten gerade die ersten Kaffeeknospen von einigen gentechnisch veränderten Moosen, die auf einer der Hydrokulturbänke wuchsen. Hannah und Han fühlten sich in der Schwerelosigkeit so wohl wie Fische im Wasser. Sie bewegten sich mühelos darin fort und füllten rasch ihre Beutel, obwohl sie die halbe Zeit ein Fangespiel mit äußerst komplizierten Regeln spielten, die Macy noch nie begriffen hatte, egal, wie oft sie sie ihr zu erklären versuchten. Sie schossen los, um Newt abzufangen, als sie ihn herankommen sahen, prallten gegen ihn und brachten ihn vom Kurs ab, so dass er sich zur Seite auf eine benachbarte Strebe fallen lassen musste, während die Zwillinge an seinem Hals hingen. Schließlich stieß er sich erneut ab und flog auf Macy zu. Dabei rief er ihr zu, dass er eine Übertragung von der Siedlung der Pazifischen Gemeinschaft auf Iapetus aufgefangen hatte.
»Es geht um Großbrasilien. Dort hat es eine Revolution gegeben.«
»Eine Revolution? Du meinst, einen bewaffneten Aufstand? «
»Etwas in der Art. Die Familie, die über das Gebiet herrscht, in dem du gelebt hast, die Fontaines, sind daran beteiligt. Und außerdem ein Großteil deiner alten Truppe, das R & S-Korps. Und es kommt noch besser: Avernus ist auf der Erde. Sie steckt da mitten drin.«
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Später war man sich einig, dass die Revolution in dem Moment begann, als der Erzbischof von Brasília in der Catedral Metropolitana Nossa Senhora Aparecida eine Predigt hielt, in der er dazu aufrief, die Vorbereitungen für einen Krieg gegen die Pazifische Gemeinschaft zu beenden. Danach führte er mehr als zweitausend Bürger die Eixo Monumental entlang zur Esplanada dos Ministérios, wo sie eine Mahnwache abhielten. Offiziere des BSD, die von Armeeeinheiten unterstützt wurden, gaben der Menge den Befehl, sich zu zerstreuen. Als die Menschen sich der Aufforderung widersetzten, gingen sie mit Schockknüppeln, kinetischen Waffen, Grasern und Betäubungsgas gegen sie vor. Mehr als dreißig wurden getötet und viele weitere verletzt. In der nächsten Nacht versammelten sich zehntausend Menschen zu einer zweiten Mahnwache, angeführt von einer Phalanx, die aus einigen der Verwundeten aus der vergangenen Nacht, regimekritischen Senatoren und Mitgliedern der Familien Peixoto, Fonesca und Fontaine bestand. Sie trugen Kerzen und Fotos der Toten. Einige Frauen legten Kränze auf den Pflastersteinen nieder, die noch mit dem Blut der unschuldigen Demonstranten befleckt waren, und befestigten Blumen an den Einsatzschilden der Soldaten, die auf der Ostseite der Esplanada dos Ministérios aufgereiht standen. Die Mahnwache verlief friedlich, und in der dritten Nacht versammelten sich in allen Städten Großbrasiliens
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