Sonnenfeuer
waren mir die Hände gebunden«, sagte er. »Aber jetzt sind wir an Land, und Sie können davonlaufen, wenn Sie wollen.«
Perfy riß sich los. »Nein, Lew, lassen Sie das. Zerstören Sie jetzt nicht alles.«
»Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen. Sie gefallen mir sehr, und wir haben so einen schönen Tag zusammen verbracht …«
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich bin selbst schuld, weil ich mich bei Ihnen ausgeweint habe. Können wir nicht einfach Freunde sein?«
»Natürlich können wir das. Aber ich muß Sie warnen. Lew Cavour, der Kapitän dieses netten Schiffes da drüben, hat vor, Ihnen den Hof zu machen. Er muß nur noch die Regeln dieses neuen Landes lernen.«
»Verschwenden Sie doch nicht Ihre wertvolle Zeit«, erwiderte sie. »Ich möchte nämlich gar nicht, daß mir jemand den Hof macht. Es gibt doch noch viele andere nette Mädchen hier.«
»Ja, aber nur eine Perfy. Vielleicht läßt sie sich ja doch einmal erweichen, wer weiß?«
»Ach, kommen Sie, Lew«, sagte sie ungeduldig und marschierte durch das Gestrüpp. »Die Moskitos hier sind furchtbar. Wenn es dunkel wird, fallen sie in Schwärmen über einen her.«
Alice und Jack saßen auf der Veranda und erwarteten sie.
»Da seid ihr ja«, rief Jack. »Kommen Sie und trinken Sie ein Bier mit mir, Lew.«
»Mit Vergnügen«, erwiderte er.
»Perfy, du hast ja einen Sonnenbrand«, bemerkte Alice. »Komm rein, ich gebe dir eine Salbe fürs Gesicht.«
»Moskitos haben uns auch gestochen«, sagte Perfy lachend und folgte ihrer Mutter ins Haus.
»Hat er dich angefaßt?« flüsterte sie neugierig.
»Ach, Mutter, stell doch nicht solche Fragen. Nein, hat er nicht.«
Alice lächelte. »Dein Vater ist ein guter Menschenkenner. Er hat gesagt, wir müßten uns keine Sorgen machen. Salb dir jetzt das Gesicht damit ein und kämme dich, dein Haar ist ja ganz zerzaust. Jack hat eine gute Nachricht für dich.«
Perfy eilte wieder hinaus. »Was gibt’s?«
»Heute ist deine Besitzurkunde gekommen. Jetzt ist es amtlich, daß dir die Hälfte von Caravale gehört.«
Perfy strahlte. »Das ist ja wunderbar. Ich habe schon gedacht, die kommt nie.«
»Was ist Caravale?« erkundigte sich Lew.
»Eine Farm, auf der Vieh gezüchtet wird, draußen im Westen«, antwortete Jack.
»Darcy hat sie mir vermacht«, erklärte Perfy, und ihr von Sonnenbrand und Salbe ohnehin schon gerötetes Gesicht wurde noch röter. Ärgerlich stellte sie fest, daß ihre Eltern Blicke tauschten. »Es soll eine sehr große und schöne Farm sein«, fügte sie hinzu.
»So etwas wie eine Ranch?« fragte Lew.
»Ja.«
»Aha«, sagte er unverbindlich, als sei er lediglich an der Größe von Caravale interessiert.
Nachdem sie noch eine Weile miteinander geplaudert hatten, erhob sich Lew. Er war freundlich wie immer und froh, daß Perfy so einen schönen Tag erlebt hatte, dann verabschiedete er sich lächelnd. Doch sie wünschte, er wäre noch geblieben; zu gern hätte sie ihm erklärt, was es mit Caravale auf sich hatte, und ihm alles darüber erzählt.
Weit draußen über dem Meer erhellte von Zeit zu Zeit ein Blitz die Nacht, auf den eine bedrückende, unheilschwangere Stille folgte, denn es war kein Donner zu hören.
In den folgenden Monaten würde Perfy dieser Tag als der letzte wirklich friedliche in Erinnerung bleiben. Denn danach begannen die Sorgen. Wenn sie an diesen Tag zurückdachte, richtete sie sich an der Erinnerung auf, und sie wurde ihr kostbar wie die kleine Jadekatze, die Glück bringen sollte.
5
D ie Schwarzen in Bowen waren vom Stamm der Bindal, und Diamond suchte sie auf, sobald sie die Zeit fand. Es gab hier zahlreiche Aborigines, die die übliche bunt zusammengewürfelte Kleidung der Weißen trugen, denn innerhalb der Stadtgrenzen durften sie nicht »unbekleidet« herumlaufen. Sie wirkten gesünder und weniger unterwürfig als die eingeschüchterten Eingeborenen in Brisbane, doch Diamond stellte bedauernd fest, daß manche von ihnen dem Alkohol verfallen waren. Den durchreisenden Goldsuchern waren diese Stadt und ihre Einwohner völlig gleichgültig. Wenn der Goldrausch vorüber war, würden die ortsansässigen Aborigines vielleicht besser behandelt werden, aber das war nur eine schwache Hoffnung.
In unauffälliger Kleidung hatte Diamond die Gegend erkundet. Zwar trug sie noch immer ihr Messer, doch hier brauchte sie nicht allzu ängstlich sein. Trotzdem ging sie abends nur in Begleitung der Familie spazieren oder zu
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