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Sonnenfeuer

Sonnenfeuer

Titel: Sonnenfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
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aber die werden auch von Pferden gezogen.«
    »Und von Menschen. Wie ich gehört habe, brauchen auch die Europäer kräftige Muskeln für diese Reise.«
    »Welchen Lohn erhalten sie?« Diese Frage kam von Diamond. Lew war verblüfft, und zwar weniger über die Frage als darüber, daß ein Hausmädchen sie stellte. Er war nicht daran gewöhnt, daß Dienstboten so große Freiheiten genossen. Es kam ihm alles sehr merkwürdig vor. Nicht, daß er sie nicht mochte, sie war klug und schlagfertig. »Sie bekommen wohl denselben Lohn wie du«, entgegnete er. Ihre dunklen Augen blitzten ihn zornig an.
    Aus den Wipfeln der Eukalyptusbäume, die das gerodete Land säumten, hörte er Vogeltrillern, wunderbar klare Töne, die einem Sopran zur Ehre gereicht hätten. »Die Vögel dort oben, sie singen herrlich. Wie heißen sie?« fragte er, um das Thema zu wechseln.
    »Elstern«, erwiderte Perfy.
    »Und Würger«, ergänzte Diamond.
    »Sie ahmen sich gegenseitig nach«, meinte Perfy.
    »Und manchmal wetteifern sie miteinander«, fügte Diamond hinzu.
    »Wie sehen sie aus?« wollte Lew wissen. Er war froh, daß sie auf etwas anderes als die Kulis zu sprechen kamen.
    Diesmal antwortete Diamond. »Elstern sind große, auffällig schwarzweiß gemusterte Vögel, und ausgesprochen selbstsicher. Die Würger haben ein glanzloses braunes Gefieder, sie sind sehr scheu, und man sieht sie kaum, aber sie verfügen über große Kräfte.« Lew hatte das Gefühl, daß hinter ihren Worten eine Bedeutung verborgen war, die er nicht zu deuten wußte.
    Perfy betrachtete unterdessen die kleine Jadekatze. »Sie ist wirklich schön. Das war sehr nett von Mr. Chin.«
    »Er hat Sie wohl recht gern«, teilte Lew ihr erfreut mit. »Jade ist in China äußerst wertvoll.«
    »Ist es teuer?« erkundigte sich Perfy.
    »Dieses Stück? Ja, ich denke schon.«
    »Oje, ich hätte mich dafür richtig bedanken sollen. War es unhöflich, daß ich nur gesagt habe, es gefällt mir?«
    »Ying hat nicht erwartet, daß Sie sich groß bedanken. Er hat sich gefreut, daß er Ihnen ein Geschenk machen konnte.«
    In einer rauhen Stadt wie Bowen konnte man nicht viel unternehmen, und so war Perfy recht angetan, wenn Lew sie zu Ausflügen einlud. Für ihn war es ein Urlaub, ein glücklicher Urlaub. Ihm graute bereits vor dem Tag, an dem er wieder abreisen mußte. Jeden Morgen schwamm er in der Bucht, ging angeln und besuchte die Middletons so oft, wie es möglich war, ohne aufdringlich zu wirken. Manchmal ging er in eine der Schenken, und wenn er sich mit jemandem unterhielt oder Gespräche belauschte, ging es stets nur um ein Thema: Gold. Das Land war ihm noch immer fremd. Perfy fand es hochinteressant, einen Engländer kennenzulernen, der noch nie englischen Boden betreten hatte. Er nahm es für ein gutes Zeichen, daß sie alles mögliche von ihm wissen wollte, erklärte sie zu seiner Fremdenführerin und ließ sich von ihr das Land mit seinen Känguruhs, Koalabären, Wombats und all den anderen sanftmütigen Tieren zeigen. Beide genossen sie, daß es so vieles gab, worüber sie reden konnten.
    Eines Tages luden ihn die Middletons zu einem gemeinsamen Picknick unter den schattigen Bäumen an der Küste ein, einem typisch englischen Picknick, wie Lew vermutete.
    »Nein, nein«, erklärte Alice ihm. »Zu Hause haben wir nie ein Picknick gehabt, dazu waren wir viel zu arm. Das ist nur was für die feineren Leute. Und ich glaube auch nicht, daß man in England Fleisch und Koteletts im Freien grillt, wie es hier üblich ist. Nein, das ist wohl schon etwas anderes.«
    Mit Mr. Herbert Watlington, einem aalglatten englischen Gentleman, der wie eine Klette an Perfy hing, hatte sich ihnen ein weiterer Herr angeschlossen. Als Lew endlich einmal mit Perfy unter vier Augen reden konnte, meinte er: »Ich habe gar nicht gewußt, daß Sie noch einen Verehrer haben.«
    Sie sah ihn gelassen an und erwiderte: »Ich habe keinen Verehrer.«
    »Aber gewiß«, sagte er lachend. »Sie haben einen, verlassen Sie sich darauf.« Er meinte sich selbst, aber Perfy ging nicht auf seine Anspielung ein; es war, als hätte er nichts gesagt.
    Später ließ er sich diese Unterhaltung immer wieder durch den Kopf gehen. Ruhelos schritt er nachts auf dem Deck der Dschunke auf und ab, weil die Gedanken an sie ihn nicht schlafen ließen. Er überlegte, ob er vielleicht ein Bordell in Bowen aufsuchen sollte, aber dann siegte doch die Vernunft. Jetzt hätte er die Yuang-Brüder gebraucht. Auf der Reise in den Süden

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