Sonnenfeuer
»Wir waren damals noch klein. Dad hatte gerade im Busch zu tun. Einer der Viehtreiber ist durchgedreht, kam ins Haus gestürmt und hat Ma angefallen. Sie hat ihn auf der Stelle erschossen, direkt in unserer Eingangshalle.«
»Du meine Güte«, murmelte Katherine. »Wie schrecklich!« Derartige Vorfälle waren im Westen keine Seltenheit, und notgedrungen trugen die Frauen immer Waffen. Doch sie mochte es nicht, wenn blutrünstige Geschichten beim Abendessen erzählt wurden.
Bereits nach zwei Tagen setzten Darcy und Ben ihre Reise nach Brisbane fort, jetzt allerdings in Begleitung von Jim Kendall, Ginger und einem halben Dutzend Viehtreiber von Sherwood. Darcy war froh, daß sie nicht mehr allein waren, denn er würde erst Ruhe finden, wenn er das Geld sicher auf der Bank deponiert hatte.
»Wo wollen Sie in der Stadt wohnen?« erkundigte sich Ginger bei Darcy.
»Im besten Gasthaus, das es gibt.«
»Also im Victoria«, erklärte Ginger. »Sie können aber auch mit mir kommen. Ich wohne nämlich im Haus des Gouverneurs. Jetzt, wo die Festtage vorüber sind, ist es dort ziemlich ruhig. Lady Bowen hätte bestimmt nichts dagegen; sie ist eine wunderbare Frau.«
»Nein, vielen Dank«, erwiderte Darcy. »Ich nehme mir lieber ein Zimmer in einem Gasthaus, dann kann ich tun und lassen, was ich will.«
»Das ist deine Sache«, warf Ben ein. »Aber ich hätte gegen einen Besuch im Haus des Gouverneurs nichts einzuwenden. Können Sie das wirklich deichseln?«
»Natürlich. Der Gouverneur und seine Mitarbeiter sind auch oft auf BliBli zu Gast, wenn sie eine Rundreise machen. Vergessen Sie nicht, mein Junge, daß man bei uns die Gastfreundschaft erwidert. Vielleicht ist er eines Tages auch mal auf ein Bett in Caravale angewiesen.«
Ben schob sich mit seinem Pferd neben Darcy. »So eine Einladung solltest du nicht ausschlagen«, gab er zu bedenken. »Es kostet uns keinen Cent. Das ist der Regierungssitz, und dort …«
»Du meinst, dort lernt man all die wichtigen Leute kennen.« Darcy lachte.
»Was paßt dir denn daran nicht?«
»Das wäre mir alles zu förmlich.«
»Aber Kitty Kendall ist auch oft dort zu Besuch«, sagte Ben mit einem anzüglichen Grinsen.
»Und was hat das damit zu tun?«
»Bist du blind, Darcy? Sie hat ein Auge auf dich geworfen. Und deshalb wäre es ihr sicher nicht unrecht, wenn auch du in die Kreise des Gouverneurs eingeführt würdest.«
»Kitty ist ja ganz nett, aber für meinen Geschmack viel zu vornehm. Solch ein Mädchen kann man nicht nach Caravale verpflanzen.«
»Warum denn nicht? Unser Haus ist doch ganz ansehnlich. Jede Frau wäre stolz, dort zu wohnen.«
»Ein Mädchen wie Kitty ist an Gesellschaft gewöhnt. Sie mag zwar auf einer Farm aufgewachsen sein, aber sie hat immer eine Menge Frauen um sich herum gehabt.«
»Das ist doch Unsinn«, entgegnete Ben. »Mit Kitty machst du einen guten Fang, du Holzkopf. Und Ma würde sich freuen.« Darcy drehte sich um und blickte seinen Bruder an, als sähe er ihn zum erstenmal. »Ma? Ich glaube, du machst Witze! Ma wäre entsetzt, wenn wir ihr eine Prinzessin ins Haus bringen würden.«
Ben grinste. »Möglicherweise. Aber früher oder später müßte sie sich damit abfinden. Außerdem glaube ich, daß du dich täuschst. Kitty würde ihr gefallen.«
»Dann heirate du sie doch! Und ich suche mir irgendwann ein nettes, einfaches Mädchen.«
Jetzt stieß auch Ginger zu ihnen. »Sind Sie auf Brautschau, Darcy?«
»Ja.« Ben antwortete für seinen Bruder. »Aber sie muß häßlich sein.«
»Das habe ich nicht gesagt«, widersprach Darcy, und Ginger schmunzelte.
»Dann sind Sie in Brisbane ja richtig, Darcy. Dort herrscht kein Mangel an häßlichen Mädchen, die einen reichen und jungen Großgrundbesitzer vom Fleck weg heiraten würden.«
Darcy hatte keine Lust mehr, das Wortgeplänkel fortzusetzen. Er zündete sich eine Zigarette an und blieb ein wenig zurück, bis er allein hinter den anderen hertrabte. Er konnte seinen Unmut nur schwer erklären. Daß es wichtig war, auf den abgelegenen Farmen einen gewissen Lebensstandard aufrechtzuerhalten, war ihm klar. Doch es wollte ihm nicht in den Kopf, warum man jeden Abend in gestärkten Oberhemden herumlaufen mußte und sich als Farmbesitzer zum Abendessen auftakelte, als ginge man in die Oper. Daß man Wert auf ein sauberes und gepflegtes Heim legte, war nur recht und billig, und Darcy fühlte sich auch wohler, wenn er gewaschen und in sauberer Kleidung zum Essen erschien. Doch auf die
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