Sonnenfeuer
Kinkerlitzchen konnte er gut und gern verzichten. Hier, wo es sogar noch heißer war als im Norden, bedeuteten ein gestärktes Hemd, ein steifer Kragen und ein Smoking eine Strafe, die er freiwillig nicht auf sich nehmen wollte. Ben allerdings hatte seinen Spaß daran. Darcy kam zu dem Ergebnis, daß er auf Caravale ein neues Haus bauen mußte. Platz war ja genug vorhanden. Sein Haus sollte auf den Hügeln am Fluß stehen. Dort wollte er dann leben, wie es ihm gefiel, während Ben und seine zukünftige Frau auf Caravale so vornehm herrschen konnten, wie sie wollten. Amüsiert fragte er sich, wie Ben es wohl anstellen wollte, die linkischen schwarzen Dienstboten in adrette Hausmädchen mit Rüschenschürze und weißen Handschuhen zu verwandeln. Der Norden würde immer eine andere Welt bleiben, und je eher Ben das erkannte, um so besser für ihn.
Als sie die Hauptstraße nach Brisbane erreichten, fing es auf einmal zu regnen an. Regen war gut, und er hoffte, daß auch Caravale seinen Anteil davon abbekommen würde. Seine Begleiter sahen in ihren grauen Umhängen aus Ölzeug und den durchweichten Hüten wie Gespenster aus. Die meisten Männer trugen die sogenannten amerikanischen Filzhüte, die mit ihrer breiten Krempe bei Sonnenschein zwar recht nützlich waren, den Regen jedoch nicht so gut abhielten wie ihre selbstgemachten Lederhüte.
Brisbane war ein Schock. Seit vier Jahren war Darcy nicht mehr in der Stadt gewesen – normalerweise machten sich die Treiber mit den Herden allein auf den Weg –, und jetzt erkannte er den Ort kaum wieder, so sehr hatte er sich verändert. Trotz des Regens tummelten sich Hunderte von Menschen auf der verschlammten Hauptstraße; sie torkelten aus den Kneipen, standen unter Vordächern herum und zogen Handwagen durch den Morast. Und dann erst der Lärm! Scheppernde Pianoklänge versuchten Gebrüll und Gelächter zu übertönen, das aus den hell erleuchteten Kneipen und Tavernen drang, und von den Balkonen riefen ihnen wüst aussehende Frauen anzügliche Bemerkungen nach.
»Mein Gott!« wunderte sich Darcy. »Was für ein Radau! Was ist denn bloß los hier?«
»Gold«, antwortete Ginger, als sie die Pferde zügelten, um ein paar herumstolpernden Trunkenbolden auszuweichen. »Das Gold von Gympie. Inzwischen platzt die Stadt wegen der Goldgräber aus allen Nähten. Natürlich gibt es auch ein paar vernünftige, die sich zurückhalten, doch die meisten kommen mit ihrem Fund in die Stadt, lassen ihr Geld in den Kneipen und Bordellen und fangen dann wieder ganz von vorn an.«
»So was habe ich noch nie gesehen«, meinte Darcy staunend. »Man könnte glatt meinen, es wäre Silvester.«
»Für diese Burschen ist es das wohl auch«, bestätigte Ginger lachend, »und zwar jeden Abend. Ja, in Brisbane geht’s rund. Sie kommen besser mit uns, Darcy, denn so, wie es hier zugeht, finden Sie nie ein Zimmer.«
»Nein, ich komme schon zurecht. Ich bin froh, wenn ich ihnen Ben und unser Geld anvertrauen kann, denn allem Anschein nach ist es im Haus des Gouverneurs sicherer als sonst irgendwo in diesem Hexenkessel.«
Als es ans Abschiednehmen ging, wurde Ben plötzlich unschlüssig. »Ich kann mich doch nicht in diesem Aufzug beim Gouverneur vorstellen, Ginger.«
»Doch, das können Sie. Lady Bowen wird es schon verstehen. Und morgen früh besorgen wir Ihnen gleich was Anständiges zum Anziehen. So, dort ist das Hotel Victoria, Darcy. Ich fürchte nur, Ihre Chancen stehen schlecht.«
Als er seinen Blick über das zweistöckige Gebäude und die vor der Tür wartende Menschenmenge gleiten ließ, mußte Darcy ihm wohl oder übel zustimmen. »Ich komme schon zurecht«, wiederholte er trotzdem. »Wir treffen uns dann morgen früh auf der Bank, Ben. Punkt zehn.«
Auf einem schmalen Weg ritt er zum Hinterhof des Hotels und bekam für eine Pfundnote einen Platz für sein Pferd. »Wie heißt denn der Besitzer?« erkundigte er sich beim Stallknecht. »Brian Flynn.«
Darcy nahm seine Satteltaschen, hängte sich das Gewehr über die Schulter und ging zum Hintereingang des Hotels. Er steckte seinen Kopf durch die Tür und blickte in die Küche. »Wo kann ich Mr. Flynn finden?«
In der riesigen Küche waren mehrere Frauen mit Feuereifer dabei, auf Unmengen von weißen Tellern Mahlzeiten anzurichten, während andere die Arme bis zu den Ellenbogen in die Spülbecken getaucht hatten und die geputzten Teller, Töpfe und Pfannen scheppernd auf den Bänken abstellten. Kellnerinnen mit großen Tabletts
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