Sonnenfinsternis: Kriminalroman
die belgische Bevölkerung das Gefühl erhalten, das kleine Königreich bef ä nde sich unmittelbar an der Schwelle einer Roten Revolution.
Zur Politik der Destabilisierung gehörten auch die sogenannten Brabant-Massaker: Zwischen dem 14. August 1982 und dem 9. November 1985 ver übten unbekannte Attentäter insgesamt sechzehn Überfälle auf Lebensmittel läden, Supermärkte, Restaurants, einen Juwelierladen sowie einen Taxi fahrer. Total 28 Menschen wurden getötet und viele mehr verwundet. Die Opfer waren vor allem Frauen, Kinder und ältere Menschen. Die Täter wurden nie gefunden. Die Polizei hatte lediglich feststellen können, dass in jedem Fall nur sehr kleine Geldbeträge gestohlen worden waren, das Vor gehen der Täter aber durch äusserste Rücksichtslosigkeit und Pro fessionali tät gekennzeichnet gewesen war. Dazu gehörte unter anderem, dass die Täter am 3. März 1983 nach einer brutalen Attacke im kleinen wallonischen Städt chen Nivelles, in deren Verlauf sie ein Pärchen getötet und den Alarm aus gelöst hatten, nicht flohen, sondern kaltblütig auf die Polizei warteten und diese in einen Hinterhalt lockten. Die Brabant-Massaker versetzten Belgien in Panik. Eine Beteiligung der belgischen Stay-Behind wurde wie in anderen Fällen vermutet, konnte aber von der Senats kommission nicht belegt werden, da sich sowohl SDRA8 wie auch STC/Mob strikt e weigerten, Listen ihrer Mit glieder herauszurücken. Was die belgischen Senatoren aber noch fast wütender machte, war die Tatsache, dass auch CIA und SIS über die ent sprechenden Mitgliederlisten verfügten, sich aber trotz des konkreten Ter roris musverdachts ebenfalls strikte weigerten, diese an die belgischen Unter suchungsbehörden auszuhändigen.
Im Laufe der folgenden Jahre sagten mehrere ehemalige Stay-Behind-Agenten aus, dass die Geheimarmee auch mit der belgischen Neonazigruppe Westland New Po s t , kurz WNP, kooperiert hätte , deren Mitglieder sich fast ausschliesslich aus der belgischen Gendarmerie rekrutierten. Im Jahr 1990 verstärkten sich auch Hinweise darauf, dass die WNP während ihres kurzen Bestehens nicht nur durch den belgischen Staatsapparat, sondern auch durch die NATO selbst gedeckt worden war: Sieben WNP-Mitglieder – allesamt ange klagt, in den frühen A chtzigerjahren mehrere hundert gehei me Dokumente der NATO und der belgischen Armee gestohlen zu haben – wurden durch das oberste belgische Militärgericht völlig unerwartet und unter mysteriösen Begleit umständen freigesprochen.
Die belgische Stay-Behind-Organisation wurde am 23. November 1990 offiziell abgeschafft und alle Kontakte zu ausländischen Diensten eingestellt.
Ich war fasziniert und schockiert zugleich. Schon Dr. Entelers Ausführungen zu Italien waren starker Tobak gewesen, aber irgendwie erwartete man solche Dinge von den Italienern, ob das jetzt gerecht fertigt war oder nicht. Aber Belgien war ein kleines demokratisches Land und der Schweiz in mancherlei Hinsicht recht ähnlich, inklusive einer Vorliebe für Schokolade und Bier. Dass ein solcher Staat auf diese Art als Geisel genommen werden konnte, schien mir unfassbar.
Kopfschüttelnd legte ich den Artikel weg und nahm den nächsten zur Hand.
DEUTSCHLAND
Der offizielle Bericht der deutschen Regierung zum Thema Stay-Behind-Ar meen wurde 1990 veröffentlicht. Er kam zum Schluss, dass die west deut sche Stay-Behind von den Amerikanern gleich nach dem Zweiten Welt krieg geschaffen und fast ausschliesslich mit ehemaligen Nazis besetzt wurde, die allesamt stark antikommunistisch eingestellt und in Guerilla kriegs führung geschult waren. Darunter fanden sich auch ehemalige SS-An ge hörige wie der Kriegsverbrecher und Gestapo-Offizier Klaus Barbie, der 1947 als Agent des 66th CIC Detachment angeworben, vor dem Kriegs ver brechertribunal versteckt und 1951 insgeheim nach Argentinien geschafft worden war.
Mit der tatkräftigen Unterstützung dieser Ex-Nazis wurde die westdeutsche Stay-Behind rasch aufgebaut. Dazu gehörte wie in anderen Ländern nebst der Ausbildung des angeworbenen Personals auch das Anlegen geheimer Waffenverstecke. Die Organisation wurde unter dem harmlosen Namen Technischer Dienst , kurz TD, im von Altnazis dominierten Bund Deutscher Jugend – BDJ – angesiedelt. Sie blieb allerdings nicht lange geheim: Am 10. Oktober 1952 enthüllte die New York Times ihre Existenz und löste damit einen handfesten Skandal auf beiden Seiten des Atlantiks aus. Interessanterweise berichtete
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