Sonnenfinsternis: Kriminalroman
der deutsche Spiegel bereits damals, dass die deutsche Stay-Behind Teil eines europaweiten Netzwerks gleichgearteter Geheimarmeen sei. Beide Publikationen stützten sich dabei auf die freiwillige Zeugenaussage des ehemaligen SS-Offiziers und Stay-Behind-Mitglieds Hans Otto, der am 9. September 1952 im Hauptquartier der Frankfurter Kriminalpolizei aufgetaucht war und den TD aufgedeckt hatte. Auf ihn ging auch die Information zurück, dass der TD nebst der Stay-Behind-Aufgabe auch für inländische Subversion gegen die Kommunisten vorgesehen war.
Im Anschluss an Ottos Aussage stürmte die Polizei am 13. September 1952 die geheime Stay-Behind-Basis im hessischen Waldmichelbach. Die TD-Mitglieder wurden verhaftet und Waffen, Munition und Sprengstoff sowie allerlei Dokumente konfisziert. Darunter fand sich auch eine sogenannte Proskriptionsliste. Diese enthielt die Namen von Personen, die im Bedarfsfall eliminiert werden sollten, darunter viele bekannte Kommunisten, aber auch moderate Sozialisten, von denen eine ganze Anzahl aktive Politiker oder Verwaltungsangestellte waren, wie zum Beispiel der Chef der westdeutschen SPD, Erich Ollenhauer. Ausserdem wurde bekannt, dass bereits Mitglieder der Organisation in die SPD eingeschleust worden waren, um im Ernstfall eine möglichst effiziente Ausführung der Attentate zu ermöglichen.
Trotz der Aufdeckung dieses Skandals behinderte die deutsche Regierung die Untersuchung, wo sie nur konnte. Am 30. September 1952 ordnete der Bundesgerichtshof ohne vorherige Konsultation mit der Frankfurter Polizei an, dass alle verhafteten TD-Mitglieder wieder freizulassen seien. Interessanterweise machten die beiden dafür verantwortlichen Richter im Anschluss einen deutlichen Karrieresprung.
Anfang 1953 wurde der BDJ zwar als rechtsextreme Organisation ein ge stuft und verboten, die westdeutsche Stay-Behind-Organisation aber keines wegs aufgelöst, sondern einfach noch besser versteckt. Schliesslich wurde die in Bundesnachrichtendienst umbenannte Organisation Gehlen per Regie rungs beschluss mit der Aufsicht betraut.
Nach der Aufdeckung der Stay-Behind-Netzwerke im Jahr 1990 wurde die deutsche Geheimarmee von der Presse in Zusammenhang mit mysteri ösen Waffenfunden während der frühen Achtzigerjahren gebracht. So gruben Waldarbeiter zum Beispiel in der Lüneburger Heide am 26. Oktober 1981 ein grosses Waffenversteck aus, das neben Arsen und Zyankali auto ma tische Waffen, über 150 Kilogramm Sprengstoff, etwa 14 ‘ 000 Schuss Munition sowie 50 Panzerfäuste, 258 Handgranaten und rund 230 Sprengladungen enthielt. Im Anschluss an die Entdeckung wurde das Haus des zuständigen Försters und bekannten Rechtsextremisten Heinz Lembke gestürmt. Darin fand sich ein zu einem Gewehr des Typs Heckler & Koch G3 gehörendes leeres Magazin und Bombenmaterial.
Lembke selbst schien zunächst unberührbar. Erst Wochen nach der Ent deckung des Waffenverstecks wurde er verhaftet, und zwar nur wegen un recht mässiger Zeugnisverweigerung im Prozess gegen seinen Freund und Mit streiter Manfred Roeder, nicht wegen des Waffenverstecks. Roeder war Anführer der rechtsterroristischen Deutschen Aktionsgruppen und wurde unter anderem beschuldigt, Anschläge auf Asylbewerberheime ausgeführt zu haben. Dafür wurde er 1982 zu dreizehn Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.
Schon kurz nach Bekanntwerden des Waffenverstecks wurde verkündet, dass Lembke ein Einzeltäter gewesen sei. Nicht erklärt wurde allerdings, wie ein Einzelner ein solches Waffendepot überhaupt anlegen konnte, ohne dass der Diebstahl oder Schmuggel von solchen Mengen Gefahrenmaterials bemerkt wurde. Dies notabene in einem Land mit strenger Waffenkontrolle und aufgrund der Bedrohung durch die linksterroristische RAF besonders hoher Wachsamkeit.
Kaum war Lembke in Untersuchungshaft, änderte er seine Meinung und erklärte sich plötzlich bereit, sowohl gegen seinen Freund wie auch zu vielen anderen Dingen auszusagen. Allerdings bestand er darauf, nur mit dem Staatsanwalt zu sprechen, der ihn bereits einmal erfolglos zum Fall Roeder verhört hatte. Die Bedingung wurde angenommen und der Staatsanwalt machte sich sofort auf den Weg zu Lembkes Zelle. Dort gab dieser am 31. Oktober 1981 detaillierte Informationen preis, welche die Behörden zu dreiunddreissig weiteren Waffenverstecken führten. Am Schluss des Abends kündigte er an, dass er am folgenden Tag Angaben zu den vorgesehenen Benutzern der Waffenverstecke machen würde. Am nächsten Morgen wurde er
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